Russland geht gegen demonstrierende Lkw-Fahrer vor
In zahlreichen Städten Russlands gingen in dieser Woche tausende Bürger gegen Korruption auf die Straße. Dazu aufgerufen hatte der wohl bekannteste russische Oppositionelle Alexej Nawalny. Beobachter sprachen von einer der größten koordinierten Aktion seit den Massenprotesten vor sechs Jahren. Bei den Demos mit dabei war die Vereinigung russischer Transportunternehmer mit ihrem Anführer Andrej Bazhutin. Er hatte den Anstoß zu Protest-Konvoifahrten und Blockaden gegeben.
Begonnen damit hatte er – wie der deutsche Branchenverband Camion Pro jetzt veröffentlichte – bereits vor rund eineinhalb Jahren, als der russische Staat eine Lkw-Maut einführte. Nach Einschätzung vieler Fahrer bedroht diese Abgabe – umgerechnet fünf Cent pro Kilometer – die Existenz der russischen Kleinunternehmen. „Das ist für den desolaten russischen Straßenzustand weit überteuert“, sagte Bazhutin gegenüber Camion Pro. „Außerdem bezahlen wir nur für Straßen, die der Staat noch bauen will. Die Betreiber des Mautsystems sind jedoch private Investoren. Wer weiß schon, wohin die Einnahmen der Maut wirklich fließen? Wir nicht.“
Russland befindet sich bekanntermaßen in einer Wirtschaftskrise. Hinzu kommt, dass durch die Wirtschaftssanktionen der EU viele Transporte nach Westeuropa wegfallen. „Die Wettbewerbssituation ist für uns katastrophal. Es gibt mehr Fahrer als Aufträge, und unsere Kunden sind zumeist große Unternehmen oder Speditionen. Die weigern sich einfach, höhere Preise zu akzeptieren“, beschreibt Sergej Vladmiriov, stellvertretender Vorsitzender des russischen Fernfahrerverbands, die Ausgangslage für seine Kollegen. Gewerkschaften wie in westlichen Staaten gibt es kaum, rund 70 Prozent der Fahrer in Russland sind selbstfahrende Unternehmer und nicht organisiert. Es ist nun das erste Mal, dass sich Menschen in der Transportbranche zusammenschließen. „Unser Verein zählt rund 10 000 Mitglieder, die sich innerhalb eines Jahres zusammengefunden haben“, berichtet Andrej Bazhutin.
Konvoi-Fahrten sind inzwischen verboten. Die Fahrer ließen sich aber davon nicht beeindrucken und verstärkten ihre Proteste mit weiteren Konvois und Straßenblockaden. Die Polizei nahm daraufhin reihenweise Trucker in Haft.
Wie ernst die russische Staatsmacht die Proteste nimmt, zeigt die Tatsache, mit welcher Härte und Willkür sie neuerdings gegen die Organisatoren des Fernfahrerstreiks vorgeht. Das ist einer Pressemitteilung von Camion Pro zu entnehmen: Am Tag nach der Großdemonstration gegen das Korruptions-Unwesen sei Andrej Bazhutin nach der Rückkehr in seine Heimat beim Verlassen seines Hauses von der Polizei festgenommen worden, ihm sei „Fahren ohne Führerschein“ vorgeworfen worden. Unterstützer aus seinem Umfeld versichern jedoch, dass diese Anschuldigung haltlos wären. Weiter erklärt Camion Pro: „Seine schwangere Frau wollen die Behörden nun zwangsweise aus gesundheitlichen Gründen in einer Klinik unterbringen und gleichzeitig die Kinder in staatliche Obhut nehmen.“ An den Festnahmen Bazhutins und anderen Mitstreitern soll auch das Russische Zentrum für Extremismusbekämpfung beteiligt gewesen sein.
Für die russischen Trucker legt sich nun Camion Pro ins Zeug und will die Gewerkschaft ver.di als Mitstreiter ins Boot holen. Er fordert die sofortige Freilassung der Aktivisten und die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien. ampnet
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