Autoakku als Stromspeicher?
Studie zur Nutzung des Autoakkus als Stromspeicher
Mit dem Ausbau erneuerbarer Energien steigt der Bedarf an Stromspeichern. Kein Wunder also, dass nun verstärkt an der Nutzung von Elektrofahrzeugakkus als Zwischenspeicher gearbeitet wird – zumal sie eine deutlich höhere Kapazität haben als zum Beispiel die stationären Batteriespeicher von Photovoltaikanlagen (PV). Inzwischen sind die ersten Stromer auf dem Markt, die das so genannte bidirektionale Laden beherrschen, und es wird damit gerechnet, dass das „Bidi“-Geschäft 2024 in Fahrt kommen wird. Im Fokus stehen dabei die Einspeisung ins häusliche Stromnetz (Vehicle-to-Home, kurz V2H) und die von den Rahmenbedingungen her anspruchsvollere Einbindung ins öffentliche Netz (Vehicle-to-Grid, V2G).
Doch wie groß ist das Interesse von E-Fahrern, das eigene Fahrzeug als Stromquelle zur Verfügung zu stellen? Dieser Frage ist das Marktforschungsinstitut YouGov jetzt im Auftrag von Kia mit einer repräsentativen Studie nachgegangen. Befragt wurden dazu im November 518 Autofahrerinnen und -fahrer aus ganz Deutschland, die ein E-Auto besitzen oder im Haushalt haben.
Das Ergebnis ist eindeutig: Insgesamt 81 Prozent bejahen die Frage, ob sie an einer V2H-Nutzung interessiert seien, wenn das Fahrzeug und die Wallbox die erforderlichen Voraussetzungen erfüllen (43 Prozent „ja, auf jeden Fall“, 38 Prozent „ja, wahrscheinlich“), bei der V2G-Nutzung sind es 75 Prozent (39 bzw. 36 Prozent). Besonders überraschend: Nicht nur die Bewohner von Einfamilien-, Doppel- oder Reihenhäusern zeigen dieses große Interesse, sondern auch die Befragten, die in einem Mehrfamilienhaus bzw. einer Wohnung leben.
Die Studie präsentiert zudem weitere interessante Zahlen, etwa zur Ladeinfrastruktur: 69 Prozent aller Befragten besitzen oder nutzen an ihrer Wohnadresse eine private Ladestation. Weitere 18 Prozent geben an, sie hätten die Möglichkeit, eine zu nutzen oder zu installieren. Ein ähnliches Bild, wenn auch mit etwas niedrigeren Werten, ergibt sich bei der Photovoltaik: Bei 58 Prozent der Befragten ist bereits eine PV-Anlage ins häusliche Stromnetz integriert, weitere 13 Prozent planen die Anschaffung.
Die Mehrheit der E-Fahrer wohnt in einem Einfamilienhaus (56 Prozent), 24 Prozent sind Doppel- oder Reihenhausbewohner und 21 Prozent leben in einem Mehrfamilienhaus bzw. einer Wohnung. Rund die Hälfte der Befragten (49 Prozent) fährt bereits seit zwei oder mehr Jahren ein E-Auto. Und bei gut zwei Dritteln der E-Fahrer (69 Prozent) gibt es mindestens ein weiteres Auto im Haushalt, wobei es sich häufig ebenfalls um ein aufladbares Fahrzeug – Elektroauto oder Plug-in-Hybrid – handelt (36 Prozent EV, 35 Prozent PHEV, 48 Prozent andere Antriebe, inklusive Mehrfachnennungen).
V2L-Funktion, private Ladestation und PV-Anlage verstärken das Bidi-Interesse
Das bidirektionale Laden bietet E-Autobesitzern neben dem positiven Klimaeffekt ganz handfeste Vorteile: Mit dem Zwischenspeichern der elektrischen Energie können sie Geld sparen oder verdienen. Die am einfachsten zu realisierende Form des Bidi-Ladens ist V2H, da der Strom nicht ins öffentliche Netz eingespeist wird, sondern nur der häuslichen Versorgung dient. Um den Akku preisgünstig zu laden, kann entweder die eigene PV-Anlage oder ein dynamischer Stromtarif genutzt werden, über den sich der Strom in Schwachlastzeiten wie zum Beispiel nachts besonders günstig beziehen lässt. In Spitzenlastzeiten wie abends oder frühmorgens steht dann der günstige Strom aus dem Fahrzeugakku für die häusliche Nutzung zur Verfügung.
Während durchschnittlich 81 Prozent aller Befragten Interesse an dieser Form des Bidi-Ladens zeigen, sind es bei den Einfamilienhausbewohnern 84 Prozent und bei den Doppel- oder Reihenhaus- sowie den Mehrfamilienhausbewohnern jeweils 77 Prozent. Besonders stark interessiert sind mit 88 Prozent die E-Fahrer, deren Fahrzeug über eine Vorstufe des Bidi-Ladens verfügt: die „Vehicle-to-Load“-Funktion (V2L), die den Anschluss von 220-Volt-Haushaltsgeräten zum Beispiel beim Camping ermöglicht. Signifikant überdurchschnittlich ist das Interesse auch bei denen, die eine private Ladestation nutzen (87 Prozent) oder eine PV-Anlage besitzen (86 Prozent).
Anders als bei V2H ermöglicht V2G neben der häuslichen Versorgung auch den Handel am Strommarkt, indem günstig eingekaufter Strom zu Spitzenlastzeiten gewinnbringend ins Netz eingespeist wird. Sobald die technischen und rechtlichen Voraussetzungen für das komplexe Energiemanagement zwischen Fahrzeug, Ladestation und Stromnetz geschaffen sind, sind hier attraktive Geschäftsmodelle für Kunden zu erwarten.
Insbesondere dann, wenn die Fahrzeugbatterie zukünftig als Energiespeicher eingestuft ist. Denn während stationäre Batteriespeicher gesetzlich von bestimmten Kosten befreit sind, ist ein E-Auto rechtlich aktuell ausschließlich ein Pkw. Das bedeutet, dass Steuern, Abgaben, Umlagen und Netzentgelte in beiden Richtungen des Bidi-Ladens anfallen, sowohl beim Aufladen der Batterie als auch beim Einspeisen des Stroms ins Netz.
Von verschiedenen Seiten wird daher gefordert, Elektroautos wie stationäre Speicher zu behandeln, um diese Form des Bidi-Ladens zu fördern. Die insgesamt 75 Prozent der V2G-Interessierten verteilen sich relativ gleichmäßig auf alle Wohnformen (Einfamilienhaus: 74 Prozent; Doppel-/Reihenhaus: 77 Prozent; Mehrfamilienhaus: 76 Prozent). Überdurchschnittlich stark ist das Interesse, wenn noch ein weiteres aufladbares Fahrzeug zum Haushalt gehört (88 Prozent), wenn ein E-Auto mit V2L-Funktion vorhanden ist (88 Prozent) oder wenn eine PV-Anlage installiert ist (82 Prozent).
Was macht ein Elektrofahrzeug fit für die Einbindung ins Stromnetz?
Dem großen Interesse der E-Fahrer steht ein noch sehr kleines Angebot an Fahrzeugen gegenüber, die die technischen Anforderungen für das bidirektionale Laden V2H und V2G erfüllen. Doch was genau macht einen Stromer „Bidi-ready“, also fit für die künftige Einbindung ins häusliche oder öffentliche Netz?
„Es sind im Wesentlichen zwei Voraussetzungen: Das Elektrofahrzeug muss den Akkustrom auch nach außen abgeben können, und es muss die Kommunikation mit der entsprechenden bidirektionalen Ladeeinrichtung beherrschen“, sagt Jan Böckmann, Director Customer Experience (CX) bei Kia Deutschland. Die Batterie arbeitet mit Gleichstrom (DC), das öffentliche Netz mit Wechselstrom (AC). Beim Laden der Batterie wandelt ein integrierter Gleichrichter den AC- in DC-Strom um.
Umgekehrt wird beim Einspeisen ins Stromnetz ein Wechselrichter benötigt, um den Akku-Gleichstrom in Wechselstrom umzuwandeln. „Je nachdem, ob diese Umwandlung innerhalb oder außerhalb des Fahrzeugs erfolgt, spricht man von bidirektionalem AC- oder DC-Laden. Bei der AC-Variante befindet sich der Wechselrichter im Fahrzeug, es gibt also Strom ab, der direkt im Haus genutzt werden kann. Beim bidirektionalen DC-Laden wird der Gleichstrom erst in der Wallbox oder anderweitigen Ladeeinrichtung in Wechselstrom umgewandelt“, so Böckmann. Der Kia EV9*, einer der ersten Stromer, die bereits „V2G-ready“ sind, hat den Wechselrichter an Bord.
Haus- und netzseitig erfordert das Einbinden von Fahrzeugakkus in die Stromversorgung ein intelligentes Energie- bzw. Lastmanagement. „Aufgrund der komplexen Steuerungsprozesse, die mit dem bidirektionalen Laden verbunden sind, spielt die Kommunikation eine zentrale Rolle. Sie stellt hohe Anforderungen – nicht nur an das Fahrzeug, sondern auch an die Ladeeinrichtung, die die Schnittstelle zu den intelligenten Managementsystemen des Hauses oder Netzes bildet“, erläutert Böckmann und kündigt an: „Eine bidirektionale AC-Wallbox mit Lademanagement über Smartphone-App wird zukünftig von Kia angeboten.“
Einen umfassenden Überblick zu dem Thema inklusive praktischer Tipps für Interessenten gibt die Untersuchung „Bidirektionales Laden – Anwendungsfälle aus Nutzersicht. Zwischenbericht zur Studie im Auftrag des ADAC e.V.“ (FfE, September 2023). Sie kommt zu dem Fazit: „Durch bidirektionales Laden können die Stromkosten privater Haushalte reduziert werden. Zusätzlich können in Verbindung mit einer eigenen PV-Anlage Autarkiegrad und Eigenverbrauchsanteil weiter gesteigert werden.“
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