Sotheby’s versteigert in den USA ein Goggomobil
In Plymouth im US-Bundesstaat Michigan werden am letzten Juli-Wochenende, am 30. Juli 2016 stolze 69 Oldtimer versteigert. Im Zentrum der amerikanischen Automobilindustrie wollen die Auktionatoren auch 15 deutsche Fabrikate an den Mann bringen, darunter Mercedes-Benz, Porsche, Volkswagen und auch zwei Exoten: ein Goggomobil und ein Messerschmitt Kabinenroller
Wenn am Sonnabend, 30. Juli 2016, der Auktionator des Versteigerungsunternehmens Sotheby’s in Plymouth/Michigan versucht, 69 Oldies dem ausnahmslos wohlhabenden Publikum nahe zu bringen, wird der Star der Veranstaltung zweifellos ein Duesenberg Model J „Disappearing Top“-Cabriolet aus dem Jahr 1929 sein. Zwischen umgerechnet einer und eineinhalb Millionen Euro soll der Zweisitzer mit dem voll versenk- und damit unsichtbaren Stoffverdeck kosten, der mit seinem, auf acht Zylinder verteiltem Hubraum von sieben Litern 198 kW / 270 PS leistet und über ein manuell geschaltetes Drei-Gang-Getriebe verfügt. Nur rund 25 Exemplare dieses Models wurden Ende der 1920er Jahre produziert – jeweils individuell den Wünschen seiner jeweiligen Kundschaft angepasst.
Die Chancen stehen gut, dass der Wagen, der kürzlich eine Generalüberholung erfuhr, einen neuen Besitzer findet. Im vergangenen Jahr wurde ein anderer Duesenberg Model J Cabriolet für über 1,4 Millionen Dollar versteigert.
Dass Oldies aus Detroit und Umgebung den Löwenanteil unter den 69 Fahrzeugen stellen, die bei der „Motor City“-Auktion unter den Hammer kommen, liegt auf der Hand. Daneben werden nur vier Ferrari-Exemplare angeboten – samt und sonders zu sechsstelligen Beträgen, versteht sich –, aber 15 Fahrzeuge aus deutscher Produktion: sieben Mercedes, drei Porsche, zwei Volkswagen und jeweils ein BMW, ein Goggo und ein Messerschmitt Kabinenroller.
Star innerhalb der stattlichen Daimler-Gruppe dürfte ein Mercedes-Benz 220 Cabriolet A aus dem Jahr 1952 sein. Exakt dieses Auto brachte es vor ein paar Jahren schon einmal zu einem beträchtlichen Bekanntheitsgrad. 2001 spielte es neben dem Hauptdarsteller Jim Carrey eine wichtige Rolle im Hollywooddrama „The Majestic“, in dem es um die Kommunistenhatz während der McCarthy-Ära in den 1950er Jahren der USA ging. Zu seiner Zeit war das Auto als sportlicher Reisewagen konzipiert und nicht nur bei den Besserverdienenden des gerade beginnenden Wirtschaftwunders begehrt. Auch die Polizei hatte damals ein Auge auf das Cabriolet mit dem 2,2 Liter großen Sechszylindermotor (59 kW / 80 PS, 145 km/h Spitze) geworfen und zwischen August 1952 und Mai 1953 41 Exemplare bestellt.
Für die zivile Kundschaft verließen von Juli 1951 bis August 1955 genau 1278 zweisitzige Cabriolets A, 997 viersitzige Cabriolets B, 85 Coupés und 16 066 Limousinen die Produktionsanlagen in Stuttgart, werksintern als Baureihe W 187 bezeichnet.
Die damaligen Preise konnten sich so kurz nach der Währungsreform und zu Zeiten des Wiederaufbaus nur wenige Menschen leisten. Die Limousine war für stolze 11 925, das Cabriolet für 18 860 und das Coupé für 20 850, mit Stahlschiebedach gar für 22 000 Mark zu haben. Und das angesichts eines jährlichen Durchschnittseinkommens von 3852 Mark in Deutschland. Legt man den für 2016 berechneten vorläufigen Durchschnittswert als Jahresgehalt hier zu Lande von 36 267 Euro zugrunde, dann erscheint der von Sotheby’s geschätzte mögliche Erlös zwischen 120 000 und 170 000 Euro durchaus als gerechtfertigt: Damals wie heute sind etwa fünf Jahresgehälter hinzublättern.
Dafür erhält der neue Besitzer ein Auto, das bis kurz nach der Jahrhundertwende überwiegend in Hollywood zu Hause war und kurz vor seinem Auftritt im Film eine grundlegende Restauration erfuhr. Danach wechselte es von Kalifornien nach Pennsylvania, wo es sich zumeist in einer beheizten Garage befand und seit 2010 nur mehr problemlos 400 Kilometer zurückgelegt hat. Als Zugabe gehören zum elfenbeinfarbenen Wagen mit dem marineblauen Verdeck und gleichfarbigem Lederinterieur ein maßgeschneidertes dreiteiliges Kofferset, das Originalwerkzeug sowie die Betriebsanleitung.
Für eine Handvoll Dollar mehr, nämlich zwischen 140 000 und 170 000 Greenbacks, wird ein frisch restaurierter Mercedes-Benz 190 SL von 1957 unter den Hammer kommen. Die vom Werk als W 121 B II bezeichnete Baureihe hatte streng genommen amerikanische Wurzeln. Denn im September 1953 schlug Max Hoffmann, US-Importeur von Daimler-Benz, in Stuttgart vor, zwei unterschiedlich konzipierte Sportwagenmodelle als Ergänzung für die bis dahin eher konservative Mercedes-Modellpalette zu bauen. Neben dem legendären 300 SL entstand so der 190 SL (1,9 Liter Vierzylinder, 77 kW / 105 PS, 170 km/h Spitze). Beide Autos erlebten ihre Premiere auf der International Motor Sports Show 1954 in New York.
Über den 190 SL, der als Coupé mit Hardtopaufsatz und Stoffverdeck (wie in Plymouth angeboten) einst 17 650 Mark kostete, was etwa nach heutiger Kaufkraft 43 500 Euro bedeutet, schrieb das Fachmagazin „Auto Motor und Sport“ 1960: „Der 190 SL hat sich vieltausendfach bewährt, seine Besitzer sind zufrieden. Fahrsicherheit, Straßenlage Fahrleistungen sind einwandfrei, Karosserie und Verarbeitung sind hervorragend.“ Dieses Urteil trifft auch über 50 Jahre später immer noch zu.
Teuerster Vertreter von Daimler bei der Sotheby’s-Auktion ist ein bildschönes 1960er Mercedes-Benz 220 SE Cabriolet, das auf zwischen 160 000 und 200 000 Dollar geschätzt wird. Der offene Viersitzer mit den typischen, übereinander stehenden Doppelscheinwerfern (2,2 Liter Sechszylinder, 88 kW / 120 PS) wurde vor sechs Jahren total zerlegt, erfuhr eine grundlegende Verjüngungskur und nahm danach mit Erfolg an zahlreichen Schönheits-Konkurrenzen teil. Laut Sotheby’s würde er „bei jeder Veranstaltung des Mercedes-Benz Club of America im Mittelpunkt des Interesses stehen und die Aufmerksamkeit auf sich ziehen“. Das dürfte aber auch für die übrigen vier Mercedes-Benz-Modelle der Auktion gelten. Es sind
• für geschätzte 70 000 bis 90 000 Dollar ein Mercedes-Benz 300 aus dem Jahr 1962 wie ihn zu jener Zeit Bundeskanzler Konrad Adenauer als Dienstwagen benutzte (Drei-Liter Sechszylinder, 118 kW / 160 PS, 165 km/h Spitze). Das Auto kostete damals in der Basisversion 27 000 Mark (das wären heute rund 64 000 Euro); gegen Aufpreis gab es bereits Servolenkung, elektrische Fensterheber, orthopädische Sitze und eine Klimaanlage.
• Für 60 000 bis 80 000 Dollar ein Mercedes-Benz 300 SE Coupé von 1965, unrestauriert und in Top-Zustand.
• Für 100 000 bis 140 000 Dollar ein Scheckheft-gepflegtes und restauriertes Mercedes-Benz 280 SE Cabriolet von 1969.
• für 30 000 bis 40 000 Dollar ein 36 Jahre alter Mercedes-Benz 450 SLC, von dem lediglich 1636 Exemplare gebaut wurden.
Von den übrigen Deutschen bei der Auktion gehören neben einem BMW Z8 aus dem Jahr 2002 (125 000 bis 175 000 Dollar), einem 1958er Porsche 356 A Speedster (275 000 bis 350 000 Dollar), einem 1970er Porsche 911 E Coupé (100 000 bis 140 000 Dollar), einem 1972er Porsche 911 S Coupé (150 000 bis 200 000 Dollar), einem 1966er VW Typ 2 Mikrobus (90 000 bis 110 000 Dollar) und einem Volkswagen Käfer Cabriolet von 1957 (40 000 bis 50 000 Dollar) zwei für amerikanische Verhältnisse in ein Kuriositäten-Kabinett.
Es handelt sich um ein Glas Goggomobil 400 Coupé aus dem Jahr 1960 (0,4 Liter Zweizylinder-Zweitakter, 13,5 kW / 18,5 PS, 85 km/h Spitze, Schätzpreis 35 000 bis 45 000 Dollar) und einen Messerschmitt Kabinenroller 200 von 1959 (0,2 Liter Einzylinder-Zweitakter, 7,5 kW / 10,2 PS). Letzterer wurde 1972 in die USA verkauft, wurde später von Ralph Hough, dem Chef des Messerschmitt Owner’s Club of North America übernommen und von Spezialisten im kanadischen Neufundland in über 500 Arbeitsstunden restauriert. Seither hat der Zweisitzer erst 25 Meilen zurückgelegt und ist wie neu. Sein Preis allerdings auch. Kostete er zu seiner Zeit 2395 Mark, so schätzt Sotheby’s seinen Wert heute auf zwischen 40 000 und 50 000 Dollar.
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