NIO ET7 100 kWh – Ist diese elektrische Luxus-Limousine aus China empfehlenswert?
Nio ET7 im Alltagstest
Die Luxus-China-E-Limousine mit hoher Reichweite in der Praxis: Nachdem NinaCarMaria den ET7 im Dezember schon einen Tag lang unter die Lupe genommen hat, konnten wir die 5,10 lange Premium-Limousine nun im Alltag testen.
Zunächst zu den technischen Eckdaten: Der 653 PS leistende und ein Drehmoment von 850 Newtonmetern bereitstellende Nio ET7 spurtet in 3,8 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Unser Testwagen ist mit dem 100 kWh Akku-Pack versehen, so schaffte der ET7 auf unseren Fahrten eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern, und blieb damit nah am WLTP-Norm-Wert, der mit 580 Kilometern angegeben wird.
Diese Reichweite ist jedoch nicht zu schaffen, wenn man öfter in 3,8 Sekunden Tempo 100 anpeilt oder auf der Autobahn an die maximal möglichen 200 Stundenkilometer heranreicht. Wenn man seinen Gasfuß zügeln kann, wie wir es auf unseren Testfahrten auf Autobahnen, Landstraßen und auch in der Stadt gemacht haben, dann sind die bereits genannten 500 Kilometer gut möglich.
Auch wenn das noch immer keine Reichweite ist, die einen Dieselfahrer beeindrucken könnte, ist die hier mögliche Reichweite durchaus alltagstauglich. Noch besser würde dieser Nio in unseren Augen abschneiden, wenn er eine höherer Ladeleistung verarbeiten könnte. Mit nur 127 kWh braucht er im besten Fall um die 40 Minuten, um von 20 auf 80 Prozent zu kommen. An dieser Stelle sind andere in diesem Segment besser.
Aber Nio hat bekanntlich einen Trumpf im Ärmel, denn der chinesische Hersteller bietet als derzeit einziger E-Auto-Hersteller die Möglichkeit, das Akku-Pack an Wechselstationen in nur 5 Minuten vollautomatisch wechseln (bis Ende 2023 kostenfrei) zu lassen. Leider gibt es in der Nähe von Berlin, bei Augsburg und in Hilden bisher nur 3 solcher Stationen. Wer in der Nähe von solchen Stationen lebt, für den ist ein Nio natürlich noch naheliegender.
Sport-Power kombiniert mit hoher Reichweite
Es sei denn, der Kaufpreis des rund 2,4 Tonnen schweren Nio ist etwas zu hoch für ihn. Denn ein China-Schnäppchen sind Nio-Automobile leider nicht. Der Nio ET7 kostet – ohne Akku – ab etwa 70.000 Euro. Unser Testwagen mit dem 100 kWh-Akku will mit runden 91.000 Euro bezahlt sein. Die Akku Miete wird mit 289 Euro (100 kWh) bzw. 169 Euro (75 kWh) pro Monat beziffert Nio bietet aber auch Abos an, die es ab 1.200 Euro im Monat gibt. In diesem Preis ist immer auch ein umfassendes Service-Paket beinhaltet. Nio kooperiert beim Service mit etwa 100 Werkstätten in Deutschland und gewährt eine Garantiedauer von 5 Jahren bis maximal 150.000 Kilometer.
5 Jahre Garantie
Das Design des Nio ET7 erinnert an Tesla, gefällt mir aber besser. Wobei die Qualitätsanmutung von Nio in unseren Augen höher ist. Auffälligste Abweichung und ein Alleinstellungsmerkmal sind die oberhalb der Frontscheibe verbauten Scanner, die ein wenig aussehen, wie kleine Hörnchen. Auch im Innenraum ist die Design-Ähnlichkeit mit Tesla erkennbar. Auf dem Armaturenbrett thront „Nomi“ (das soll von „she knows me“ kommen) als persönliche Ansprechpartnerin für den Nutzer. Nomi „schaut“ freundlich in die Welt, begrüßt und verabschiedet den User mit lustigen Zeichen oder führt Befehle aus.
Leider nicht zuverlässig, sehr oft fragt sie nach, weil sie etwas nicht versteht oder zuordnen kann. Auch wenn ich meinen Badischen Dialekt weitgehend wegpacke. Nomi kann jedoch lernen, wie Nio auf Nachfrage bestätigt. Nomi ist empfangsbereit für Feedback („Hey Nomi, ich möchte Feedback geben“), das dann in der Zentrale verarbeitet, bewertet und ggf. in die Serie gebracht wird.
Tesla bekommt Konkurrenz
Fast wie im Rolls Royce öffnen und schließen die Türen im ET7 halb-automatisch. Nio legt bei der Auswahl der verwendeten Materialien großen Wert auf Nachhaltigkeit. Das nahezu zwei Quadratmeter große Panoramadach lässt den Innenraum hell und freundlich erscheinen. Aber auch wenn 99,9 Prozent der UV-Strahlen nach Nio-Angaben draußen bleiben, wird es bei starker Sonneneinstrahlung doch deutlich warm unter dem Glas, auch wenn die Klima-Anlage ihr Bestes dagegen tut. Eine Verdunkelungsmöglichkeit bietet Nio für das Panoramadach des ET7 derzeit nicht an.
Bis zu 2 Tonnen Anhängelast
Raum gibt es in der großen Limousine en masse. Auch auf der bequemen Rückbank kommen selbst Personen mit langen Beinen komfortabel unter. Die Kopffreiheit ist vorn wie hinten komfortabel. Im relativ flachen Gepäckabteil mit Durchreiche für lange Gegenstände finden 363 Liter an Gepäck Platz. Als Zuladung sind 520 Kilogramm möglich. Wem das nicht ausreicht, der kann Lasten bis zu 2 Tonnen auf die serienmäßige, elektrisch ausfahrbare Anhängerkupplung mit ihrer Stützlast von bis zu 100 Kilo packen. Ein Top-Wert für ein E-Fahrzeug.
Was nicht gut funktioniert hat war der adaptive Tempomat, der immer wieder stehende Objekte am Straßenrand erkannt hat und von sich aus unvermittelt gebremst hat. Es gab zudem Bremseingriffe, deren Ursachen wir nicht erkannt haben. Das sollte so nicht bleiben, hier muss dringend nachgebessert werden. Verbesserungswürdig ist auch die Bedien-Struktur über Bildschirm und Sprache, die wenig intuitiv sind.
Serienmäßige Luftfederung
Durch seine serienmäßige Luftfederung gleitet der ET7 sänftengleich dahin. Sein Fahrverhalten würde ich eher komfortabel als sportlich bezeichnen. Das Lenkgefühl fällt aus unserer Sicht und für europäische Gewohnheiten eher etwas synthetisch aus.
Fazit
Der ET7 ist eine gelungene Premium-Limousine, die an manchen Stellen noch Verbesserungspotenzial zeigt. Premium ist heute jedenfalls schon der Preis. Es wird spannend sein zu sehen, wie die Kunden in Deutschland in den kommenden Monaten auf den Newcomer aus China reagieren werden. Die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht, und es werden in nächster Zeit noch weitere Premium-Marken aus Asien auf den hiesigen Markt kommen. Mit Lucid kommt zudem starke Konkurrenz mit hohen Reichweiten und besonders kurzen Ladezeiten aus den USA zu uns.
Basics zu Nio
Nio wurde 2014 von William Li gegründet. Das unternehmen sieht sich als globalen Player der leistungsstarke und intelligente Premium-E-Autos entwirft, entwickelt und produziert. Man möchte den Nutzern durch durchdachtes und leidenschaftliches Design, guten Service und fortschrittliche Technologie ein positives Lebensgefühl vermitteln. Die Nio-Philosophie steht für eine bessere, positive und nachhaltigere Zukunft. Im Jahr 2016 kam mit dem EP9 eines der schnellsten Elektroautos der Welt auf den Markt.
Im Juni 2018 zeigt NIO mit dem ES8 sein erstes Serienmodell, ein smartes E-SUV. Am 12. September 2018 ging NIO in den USA an die Börse. Seit Gründung hat NIO bislang 249.504 Neufahrzeuge auf die Straßen gebracht. Die weitaus überwiegende Zahl im Heimatland. Nun kommen die neuen Modell wie die Limousinen ET7 und ET5, sowie die SUVs EL6 und EL7 sukzessive auch nach Europa.
Technische Daten
NIO ET7 100 kWh
Elektro
Leistung maximal in kW (Systemleistung) 480
Leistung maximal in PS (Systemleistung) 653
Drehmoment (Systemleistung) 850 Nm
Nennleistung in kW 130
Antriebsart Allrad
Getriebeart Reduktionsgetriebe
Leistung / Drehmoment (Elektromotor 1) 180 kW (245 PS) / 350 Nm
Leistung / Drehmoment (Elektromotor 2) 300 kW (408 PS) / 500 Nm
Länge 5101 mm/ Breite 1987 mm/ Breite (inkl. Außenspiegel) 2202 mm/ Höhe 1509 mm
Radstand 3060 mm
Bodenfreiheit maximal 128 mm
Wendekreis 12,4 m
Kofferraumvolumen normal 363 l
Leergewicht (EU) 2454 kg
Zul. Gesamtgewicht 2900 kg
Zuladung 446 kg
Anhängerkupplung Option Ja
Anhängelast gebremst 2000 kg
Anhängelast ungebremst 750 kg
Stützlast 100 kg
Dachlast 75 kg
Reifengröße 245/45R20
Beschleunigung 0-100km/h 3,8 s
Höchstgeschwindigkeit 200 km/h
Verbrauch kombiniert (WLTP) 19,0 kWh/100 km
CO2-Wert kombiniert (WLTP) 0 g/km
Reichweite WLTP (elektrisch) 580 km
Batteriekapazität (Brutto) in kWh 100,0
AC-Ladeanschluss am Fahrzeug Typ 2
DC-Schnell-Ladeanschluss am Fahrzeug
CCS Ladeleistung (kW) DC:130,0
Ladezeiten 80%: 40 min. (DC Ladesäule 130,0 kW)
Preis ab 90.900 Euro
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Dr. Friedbert Weizenecker
Dr. Friedbert Weizenecker - Seit mehr als 15 Jahren schreibe ich Auto-Themen für mehrere Zeitungen. Vor meiner Zeit als Auto-Journalist habe ich wirtschaftswissenschaftliche Features für ein Wirtschaftsmagazin und für Zeitungen verfasst. Als Volkswirt, Betriebswirt und Soziologe versuche ich auch ökonomische und gesellschaftliche Aspekte einfließen zu lassen. Autos sind meine Leidenschaft.
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