Kein Saft: Der Elektro-Ansturm bleibt aus
Von wegen „grüner Staat“. Kalifornien, wegen strenger Abgasgesetze und der Bereitschaft zum Experimentieren mit alternativen Mobilitätslösungen gerne als Vorzeige-Saubermann angepriesen, enttäuscht mit der diesjährigen Auto-Messe auf ganzer Linie. Zumindest jene, die neue Ansätze bei der Elektromobilität erwartet haben. Die einzig wirklich große Premiere feiern Smart mit den Stromern Fortwo Coupé und Cabrio sowie Jaguar mit der Studie iPace Concept.
Sonst ist die Lust auf Leistung überall bemerkbar. Mercedes sonnt sich mit dem Maybach S 650 Cabrio (Normverbrauch 12 Liter) und den AMG Modellen E 65 und E 65 S im Glanz neuer PS-Rekorde. Die Amerikaner selbst halten sich auf der kalifornischen Messe noch zurück, ihre große Stunde schlägt im Januar 2017, wenn sie die Motor Show in Detroit als Heimspiel in der Nachbarschaft nutzen, um ihre Neuheiten vorzustellen.
Dass Größe letztlich doch eine Rolle spielt, zeigen die Studien der beiden Luxusmarken Cadillac (gehört zu GM) und Lincoln (Tochtergesellschaft von Ford) mit den Konzept-Fahrzeugen Escala und Navigator. Die eine besetzt das Feld der großen Limousinen für besondere Anlässe, die andere das Maxi-SUV-Segment mit einem rollenden Wohnzimmer, dem ein Kleiderschrank im Heck nicht fehlt. Beides kann das Publikum in Los Angeles genau unter die Lupe nehmen. Beim Cadillac Escala öffnen die Türen gegenläufig und erlauben einen säulenfreien Blick in den Innenraum. Beim Navigator von Lincoln hebt sich gleich die ganze Seitenwand, um hineinzuschauen.
Charmant ist die Lösung beim Chrysler Pacifica, einem Mini-Van, der in unseren Augen eher Maxi-Format hat. Er bekommt jetzt einen Plug-in-Hybridantrieb und hat Schiebetüren im Fond, die ohne die optisch störende Führungsleiste auskommen. Das kostet Geld bei Konstruktion und in der Produktion, verwöhnt aber den Ästheten.
Eine Überraschung hat Mazda im Gepäck. Dabei geht es nicht um den neuen CX-5, der wohlgeformt und mit völlig neuem Innenraumkonzept den Weg in die SUV-Zukunft weist. Es dreht sich um die Ankündigung, in Zukunft Dieselmotoren auf dem amerikanischen Markt anzubieten. Nach der Abgas-Affäre eine ebenso mutige wie selbstbewusste Entscheidung. Denn Dieselgate zeigt Wirkung. Die Standfläche bei VW wurde nicht nur gefühlt halbiert, die Ausstellung der Wolfsburger ist in einer Ecke versteckt, die erst nach geraumer Zeit entdeckt wird. Keine große Show, keine Fanfaren, der Konzern demonstriert Demut. Einzig das SUV Atlas, aus Amerika für Amerika, soll mit 5,04 Meter Länge und sieben erwachsenentauglichen Sitzen wieder mehr Zuneigung zur Marke wecken.
Großes Kino bietet Alfa Romeo mit dem SUV Stelvio. Hollywood liegt gleich um die Ecke, da kann auf der Auto Show ein Exponat schon mal ordentlich in Szene gesetzt werden. Der Stelvio ist die erste Neuentwicklung, dessen Name nicht wie bei Giulia oder Giulietta weiblich, sondern mit einem „o“ am Ende männlich ist. Pate dafür war der Passo Stelvio, das Stilfserjoch. 2017 kommt das 4,65 Meter lange SUV auf unsere Straßen. Zunächst stehen ein Diesel mit 154 kW/210 PS und ein Turbo-Benziner mit 184 kW/250PS zur Wahl. Ins SUV-Horn stößt auch der kleinste Debütant in Los Angeles, der Mini Countryman. 4,3 Meter lang ist er geraten, streckt sich um 20 Zentimeter mehr als sein Vorgänger. Von Mini also keine Spur mehr.
Blickfang bei Jaguar-Land-Rover ist der IPace Concept, ein elektrisch angetriebenes SUV mit Allradantrieb und 400 Elektro-PS (294 kW), das im Crossover-Design mit schlauer Raumaufteilung und knappen Außenmaßen seinen Innenraum auf dem Niveau der nächsthöheren Klasse präsentiert, 2018 soll es serienreif sein.
Aber auch jenseits des SUV-Angebotes finden sich Novitäten, wenn auch in finanziell anspruchsvollen Regionen. Bei Mercedes-Maybach steht ein neues Luxus-Cabrio, der S 650 in einer auf 300 Exemplare limitierten Auflage und zum Stückpreis von rund 360.000 Euro in Deutschland. Eine V12 Maschine sorgt mit 620 PS für Feuer. PS-stark präsentiert sich außerdem der Mercedes-AMG E63 S mit bis zu 450 kW/612 PS.
Um 15 Zentimeter gewachsen ist der Porsche Panamera, als Executive-Modell soll er Chauffeur-Limousine sein und mit reichlichen Komfort-Zutaten vor allem im Fond verwöhnen. An Leistung mangelt es selbst dem neuen Basismotor mit 243 kW/330 PS nicht, der für 102.674 Euro beim Händler steht. Das Spitzenmodell Turbo mit 404 kW/550 PS kommt auf 166.458 Euro. Motorsport-Fans dürfte der 911 RSR begeistern, der mit seinem Vierliter-Boxermotor 2017 ins Rennen der 24 Stunden von Le Mans gehen wird. Die nicht aufgeladene Maschine leistet beeindruckende 375 kW/550 PS, Magnesium-Bauteile und der Verzicht auf Komfortausstattung machen dem Renn-Porsche einen leichten Fuß und den Weg aufs Siegertreppchen möglich.
Platz für Schrulligkeiten und Querdenker bleibt dennoch auf der kalifornischen Auto Schau. Ein Liebesnest und Honeymoon-Flitzer im Formel-1-Design oder ein SUV mit Kettenantrieb zeigen, dass den Menschen in den Vereinigten Staaten trotz ernster Lage das Lachen noch nicht vergangen ist. mid
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