Der VW e-Crafter: Kleintransport ohne lokale Abgas-Emissionen
Der Crafter ist bekanntlich der Kleintransporter der Wolfsburger. Seit 2016 wird er in einem eigens für seine Produktion erbauten Werk in Polen hergestellt. Auch der VW e-Crafter läuft dort vom Band, die Endmontage der E-Komponenten erfolgt jedoch bei VW in Hannover.
Doch für welchen Einsatzzweck eignet sich der elektrisch angetriebene Crafter? Er ist der ideale City-Transporter für den Lieferverkehr. Mit ihm sind drohende Fahrverbote in Innenstädten kein Thema. Denn er fährt zumindest lokal emisionsfrei.
Dem Dieselantrieb wird der Stromer bei Reichweite und Nutzlast nicht das Wasser reichen können. Denn die 90 bis 120 Kilometer tatsächliche Reichweite sind dafür einfach zu wenig. Der Kern-Einsatzzweck des e-Crafter ist die innerstädtische Belieferung. Gut vorstellbar ist auch die Nutzung als Vermietfahrzeug an die Kunden von Baumärkten, die überwiegend lokal einkaufen und deshalb keine Probleme mit der begrenzten Reichweite haben. Sollten in Städten die erwarteten Fahrverbote für Dieselfahrzeuge Realität werden, könnte das die Stunde von e-Crafter und Co werden. Dann wären sie beispielsweise für Handwerker und Paket-Zusteller die passende Ergänzung zur Diesel-Flotte.
Spaß bis 70 Stundenkilometer
Laut einer Studie sind die Fahrzeuge von DHL, Hermes und Co im Durchschnitt an sechs Tagen pro Woche jeweils neun Stunden unterwegs, legen aber im innerstädtischen Verkehr pro Tag im Schnitt nur 70 Kilometer zurück. Um 50 bis 100 Kunden zu beliefern. Dabei ist eine Nutzlast von bis zu einer Tonne geladen. Interessant auch, dass nahezu alle Transporter über Nacht nicht bewegt werden, sondern auf einem Betriebshof abgestellt, werden. An einer Wallbox (7,2 kW Wechselstrom) kann der Lithium-Ionen-Akku-Satz des Crafters in rund 5,2 Stunden geladen werden. Daraus ergibt sich deutlich die Eignung des e-Crafters und ähnlichen strombetriebenen Transporten für solche Einsatzzwecke.
Wer auch mal zwischendurch laden möchte oder muss, der sucht am besten eine CCS-Schnell-Ladestation mit 50 kW (Gleichstrom) auf. Denn an ihr wird der Akku-Satz (35,8 kWh) in nur 45 Minuten wieder zu 80 Prozent geladen. Ausreichend Zeit für eine ohnehin notwendige Pause. An einer Haushaltssteckdose dauert der Spaß dagegen kaum zumutbare 17 Stunden. Den Stromverbrauch gibt VW (bei einer Tonne Zuladung kombiniert mit 21,54 Kilowattstunden je 100 Kilometer an.
Kurze Ladezeiten an Schnell-Ladesäulen
Hohe Endgeschwindigkeiten müssen diese Kleintransporter dabei nicht aufweisen, denn in der Stadt sind ohnehin nur 50 bis 70 Stundenkilometer zugelassen. VW hat den e-Crafter auf 90 Stundenkilometer begrenzt. Dafür spurtet der kleine Transporter – bis zu einem Tempo von rund 70 Stundenkilometern – sportlich los. Darüber wird es dann mau.
Übrigens: Der rund 350 Kilo wiegende Akku-Satz wird im e-Crafter platzsparend im Unterboden unter der Ladefläche untergebracht. Lediglich die Ladehöhe steigt um 10 Zentimeter. Das Ladevolumen des 2,59 m hohen Hochdach-Kastenwagens (es gibt für den e-Crafter nur diese Höhe) kann mit rund 10 m³ voll genutzt werden. Das Gleiche gilt für die Durchladebreite (1,38 m) und die Laderaumhöhe von 1,86 Meter. Im Kastenaufbau ist Platz für vier Europaletten. Die maximale Zuladung beträgt je nach Ausführung zwischen einer und 1,7 Tonnen.
Der E-Motor ist unter der Fronthaube des e-Crafter verbaut. Er leistet 136 PS (100 kW) und bringt ein starkes Drehmoment von bis zu 290 Newtonmetern auf die Straße. Kombiniert ist er mit einem ein-stufigen Automatik-Getriebe, da für den Einsatz in Nutzfahrzeuge optimiert ist.
Effektiver Mehrpreis relativ gering
Weil Elektromotoren ihr maximales Drehmoment schon aus dem Stand bereitstellen, ist der e-Crafter souverän unterwegs. Ein dynamischer Ampelstart wird manchen Verkehrsteilnehmer überraschen. Flottes Mitschwimmen im Stadtverkehr ist überhaupt kein Problem. Die Lenkung des e-Crafter zeigt sich pkw-ähnlich ausgelegt. Ähnlich auch die Federung. Das alles passt bestens zusammen. Ebenso die Innenausstattung des Dreisitzers. Man sieht und fühlt sofort, dass man in einem VW sitzt. Die intuitive Bedienung unterscheidet sich kaum von der des VW Golf. Mit seinen Assistenz-Systemen, die überwiegend schon in der Basis-Ausstattung beinhaltet sind, kann er in Punkto Fahrsicherheit und Komfort überzeugen.
Beim Komfort wird der e-Crafter Fahrer ebenfalls verwöhnt. So sind LED-Scheinwerfer, Klimaautomatik, Sitzheizung, Wärmepumpe, eine beheizte Frontscheibe, Komfortsitze und das Navigationssystem mit Sprachbedienung und Mobiltelefon-Schnittstelle serienmäßig an Bord.
Doch kommen wir zum Preis: Seit dem Modelljahr 2020 ist der e-Crafter ab 53.900 Euro netto zu haben. Davon gehen dann 5.000 Euro Staatsprämie ab, der Hersteller gibt noch mal rund 2.500 Euro an Förderung dazu. So kommen dann knapp 47.000 Euro für die Basis zusammen. Der vergleichbare Diesel mit Hochdach und Automatikgetriebe geht mit rund 43.000 Euro an den Start. Ein Mehrpreis, der sich verkraften lässt. Dieser Mehrpreis wird zudem durch geringere Kosten bei der Inspektion und bei den Verbrauchskosten (man kann zum Teil auch kostenfrei laden) abgemildert. Doch selbstredend muss die Sinnhaftigkeit des e-Crafters am Ende am Einsatzzweck fest gemacht werden.
Wettbewerber
Aktuell gibt es mit vergleichbarem Nutzwert den Mercedes Sprinter, der jedoch bei vergleichbarer Reichweite rund 10.000 Euro mehr kostet. Noch im Jahr 2020 soll der Fiat Ducato mit reinem E-Antrieb und bis zu 360 Kilometer Reichweite das Angebot erweitern. Ford kündigt an, den Transit im kommenden Jahr (2021) mit reinem E-Anrieb zu lancieren. Das frühe E-Projekt zwischen Deutscher Post und Ford, der Streetscooter XL, ist nicht mehr bestellbar, weil seine Produktion im Lauf des Jahres 2020 eingestellt wird.
Technische Daten:
Der VW e-Crafter ist mit mittlerem Radstand (L3) und Mittelhochdach (H3) sowie Frontantrieb als Kastenwagen erhältlich. Bei Fahrzeugkauf ist ein Mode-2-Ladekabel mit 2,3 kW zum Laden an der Haussteckdose serienmäßig dabei. Ein Mode-3-Ladekabel mit 7,2 kW für das Laden an öffentlichen AC-Ladestellen kann optional mit dem Produkt bestellt werden
Reichweite (NEFZ): bis zu 173 km
Batteriekapazität: 35,8 kWh
Ladezeit:
AC bis 80 %: ca. 05:20 h
CCS bis 80 %: ca. 00:45 h
Stromverbrauch (NEFZ), kombiniert: 21,5 kWh/100 km
Motorleistung: max.100 kW
Drehmoment: max.290 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 90 km/h
CO2-Emission: lokal 0 g/km
Nutzlast: max. 998 kg
Laderaumvolumen: max.10,7 m3
Laderaummaße:3.450 mm x 1.832 mm x 1.861 mm
Preis: ab 53.900 Euro (ohne Förderung)
Wettbewerbsumfeld:
Mercedes E-Sprinter,
Fiat Ducato (ab 2020 elektrisch)
Ford Transit (ab 2021 elektrisch)
Streetscooter XL
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Dr. Friedbert Weizenecker
Dr. Friedbert Weizenecker - Seit mehr als 15 Jahren schreibe ich Auto-Themen für mehrere Zeitungen. Vor meiner Zeit als Auto-Journalist habe ich wirtschaftswissenschaftliche Features für ein Wirtschaftsmagazin und für Zeitungen verfasst. Als Volkswirt, Betriebswirt und Soziologe versuche ich auch ökonomische und gesellschaftliche Aspekte einfließen zu lassen. Autos sind meine Leidenschaft.
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