Brennstoffzellen-Technologie: Saubere Sache mit Potential
Wenn von der Energie- und Mobilitätswende die Rede ist, dann geht kein Weg an Elektroautos vorbei. Und die müssen nicht zwingend batterieelektrisch von A nach B surren. Toyota, einer der Vorreiter in Sachen alternativer Antriebe, zeigt mit dem Mirai eine spannende Alternative.
Seit September 2015 ist der Mirai bereits auf dem deutschen Markt – ein alter Hase also, dessen zweite Generation bei der Tokyo Motor Show Ende Oktober 2019 Weltpremiere feiert. Trotzdem ist das von Toyota als Oberklasse-Limousine eingestufte Auto mit dem eigenwilligen Design hierzulande kaum bekannt. Kein Wunder, bei weltweit nur 10.000 produzierten Einheiten. Dass der Mirai derzeit noch ein Verlustgeschäft für Toyota ist, sieht Ferry M.M. Franz, General Manager der Berliner Repräsentanz von Toyota Motor Europe, gelassen. Als Mitte der 1990er mit dem Prius der erste Serien-Hybrid der Welt auf en Markt kam, hätten viele Experten mit dem Kopf geschüttelt – heute sind der Erfolg des Autos und dessen Bedeutung für die Marke nicht mehr wegzudiskutieren. Ähnliches soll sich nach den Vorstellungen der Toyota-Entscheider auch auf dem Gebiet der Brennstoffzelle abspielen.
Das Außenseiter-Dasein des Mirai, der vollgestopft ist mit immer noch moderner und innovativer Technologie, steht beispielhaft für einen seltsamerweise in der breiten Masse wenig beachteten Energieträger, obwohl dieser in Sachen Umweltverträglichkeit sehr gut vorzeigbar ist: Wasserstoff. Toyota hat mit dem Mirai den ersten in Großserie gebauten Brennstoffzellen-Pkw der Welt in seiner Flotte, und kaum einer weiß davon. Reichweitenangst wie bei manch E-Auto mit großer Batterie an Bord? Kein Thema. Der Stromer mit eigenem Kraftwerk an Bord schafft bis zu 480 Kilometer mit einer Tankfüllung – in diesem Fall ist kein Sprit an Bord, sondern Gas, und zwar Wasserstoff.
Das größte Problem und sicher die größte Hemmschwelle für Verbraucher – neben dem Preis, der bei stattlichen 78.600 Euro liegt, für die es ein allerdings auch ein Auto mit Vollausstattung gibt: Das Tankstellennetz ist derzeit noch überschaubar, etwa 76 Wasserstoff-Tankstellen sind in Deutschland zu finden. In den kommenden Jahren soll die Zahl der Zapfanlagen auf 1.000 anwachsen. Aber: Wasserstoff ist nicht gleich Wasserstoff. Denn das Gas wird nicht immer grün hergestellt, nur rund ein Fünftel des an den Tankstellen angebotenen Wasserstoffs ist klimaneutral – also mit regenerativen Energien – produziert. Das sorgt dafür, dass Brennstoffzellenfahrzeuge, deren Treibstoff gasförmiger Wasserstoff ist, welcher in einer chemischen Reaktion mit Sauerstoff elektrische Energie freisetzt, die dann einen Elektromotor antreibt, zwar Wasserdampf als „Abgas“ ausstoßen, aber mit Wasserstoff fahren, der mittels Kohlestrom oder Erdgas produziert ist, und so der ökologische Fingerabdruck schwarze Rußpartikel hinterlässt.
Dass es auch anders geht, zeigt ein ehemaliges Forschungsprojekt in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz, das inzwischen im Regelbetrieb läuft und Geld in die Kassen der Betreiber spült. Im Juli 2015 startete der Probe- und Forschungsbetrieb der Anlage, in die rund 17 Millionen Euro – zur Hälfte gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Rahmen der „Förderinitiative Energiespeicher“ – geflossen waren. Inzwischen betreiben die Stadtwerke Mainz als regionaler Energieversorger und das Unternehmen Linde Group den Energiepark Mainz zur grünen Stromerzeugung. Die Power-to-Gas-Anlage kann mittels Strom aus einer eigenen Windkraftanlage mit inzwischen vier Windrädern drei Elektrolyseeinheiten in der sogenannten Elektrolysehalle betreiben. Diese von Siemens hergestellten Anlagen spalten Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff auf. Linde sorgt für die Reinigung, Verdichtung, Speicherung und Abfüllung in große Tanks und schließlich für die Lieferung des Wasserstoffs an industrielle Abnehmer oder Tankstellen. Zudem speist der Energiepark Wasserstoff bis zu einem Anteil von 9,9 Prozent ins Gasnetz ein.
Wie Wasserstoff, der als Abfallprodukt von industriellen Fertigungsprozessen, zur Reduzierung von CO2 zum Einsatz kommen kann, erforscht Toyota derzeit in Japan: Bei der Herstellung von Brennstoffzellen-Systemkomponenten wird Wasserstoff freigesetzt, den der japanische Autobauer einem neu entwickelten Generator zuführt, welcher Strom für die Produktion im Werk Honsha in Toyota City liefert. Der Clou: die Komponenten stammen aus dem Mirai, unter anderem Brennstoffzellen-Stack, Steuereinheit und Batterie. Und auch der Mirai selbst dient in Japan bereits als Stromgenerator. Das Brennstoffzellenauto kann im Katastrophenfall wie beispielsweise nach einem Erdbeben als mobiles Notstromaggregat genutzt werden. Bei den europäischen Modellen ist diese Plug-Out-Funktion nicht verfügbar. Dabei wäre es doch wunderbar fürs grüne Gewissen, seinen Hausstrom aus der Brennstoffzelle zu beziehen, die mit klimaneutral erzeugtem Wasserstoff befeuert wird. Dann wäre sogar die Fahrt zum Zigarettenautomaten eine saubere Sache. Schöne neue Auto-Welt.
Fotos: Toyota/Der-Autotester.de
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Mirko Stepan
Ich bin seit Kindertagen fasziniert von allem was fährt. Obwohl der "Magnum-Ferrari" 308 GTS als Initialzündung für die Liebe zum Auto gelten dürfte, können mich Kleinwagen mit E-Aggregat genauso verzücken wie ganz viele Verbrenner-PS. Zudem interessieren mich Hintergründe rund um die Mobilität von gestern, heute und morgen.
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