VDA-Präsident Wissmann fordert: Schluss mit der Diesel-Diffamierung!
Deutliche Worte fand Matthias Wissmann, der Präsident des Verbandes der Automobilhersteller (VDA); jetzt bei der Halbjahres-Pressekonferenz des Verbandes in Berlin zu Stickoxid-Problematik und zur Diesel-Diskussion. Die Schwarz-Weiß-Malerei, die sich in Teilen der Öffentlichkeit und Politik derzeit findet, sei eher Zerrbild als Abbild der Wirklichkeit. In wenigen Jahren werde die Stickoxidfrage aller Voraussicht nach gelöst sein, stellt Wissmann fest. Es gebe also intelligentere Maßnahmen als Fahrverbote.
Wissmann: „Wahr ist: In einigen deutschen Städten werden an den Messstellen die von der EU vorgegebenen Jahresmittelwerte für Stickstoffdioxid (NOx) überschritten, der Diesel hat daran seinen Anteil. Wahr ist aber auch: Trotz steigenden Verkehrsaufkommens wird die Luft in den Städten immer sauberer.“ Die Stickoxid-Werte in Deutschland sind heute 60 Prozent niedriger als vor 15 Jahren. Von insgesamt 246 Verkehrsmessstationen in Deutschland überschreiten 142 (rund 58 Prozent) den erlaubten Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft (μg/m3) NO2. Allerdings – so Wissmann – sei die Überschreitung bei zwei Dritteln dieser Messstationen mit Werten von 49 Mikrogramm NO2 oder weniger sehr gering. Mit gezielten Maßnahmen werde auch an den meisten dieser Messstationen bereits in absehbarer Zeit der Grenzwert eingehalten werden können.
Wissmann: „Das bedeutet nicht, dass kein Handlungsbedarf besteht. Aber diejenigen, die gegenwärtig eine Gefahr für die nationale Gesundheit ausrufen, haben offenbar die Verhältnismäßigkeiten aus dem Blick verloren.“ Außerdem passten so manche Bausteine der Luftreinhaltepolitik nicht zueinander. Das zeige sich etwa, wenn man die Vorgaben für die Luftqualität am Arbeitsplatz mit denen für die Umgebungsluft vergleicht. So liegt – laut Wissmann – der NO2-Grenzwert in Deutschland für Arbeitsplätze bei 950 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft und damit rund 20-mal so hoch wie der, der an Verkehrsmessstationen erlaubt ist.
Bereits die Ankündigungen von Einfahrtsbeschränkungen habe viele Bürger, Gewerbetreibende und Handwerker erheblich verunsichert. „Wir sehen mit Sorge, dass der Marktanteil des Euro-6-Diesel sinkt, während der des Benziners entsprechend steigt. Das ist auch deshalb beunruhigend, weil der Euro-6-Diesel um 15 Prozent geringere CO2-Emissionen hat als ein vergleichbares Modell mit Ottomotor.“ Je geringer der Dieselanteil, desto mehr entferne sich Deutschland von den Klimaschutzzielen.
Die neueste Diesel-Generation mit Euro-6 habe einen großen Schritt nach vorn gemacht, stellt Wissmann fest. Sie bringt gegenüber ihrem Euro-5-Vorgänger 50 Prozent niedrigere Stickoxidwerte. Zudem sei Dank serienmäßig eingebauter Partikelfilter das Feinstaubproblem schon seit vielen Jahren gelöst. Für Feinstaubalarm durch Diesel und daraus abgeleitete Fahrverbote bestehe also kein Anlass. Trotzdem sieht der VDA-Präsident die Hersteller in der Pflicht. Die Oberbürgermeister der betroffenen Städte stünden bei der Luftreinhaltung vor großen Herausforderungen. Die Automobilindustrie sei sich dessen bewusst und wolle ihren Beitrag zur Lösung leisten. „Gemeinsam mit der Politik entwickeln wir Konzepte zur Vermeidung von Fahrverboten und zur Verbesserung der Luftqualität.“
Es gebe eine breite Palette an Instrumenten, um die Luftqualitätswerte zu verbessern, so Wissmann. Dazu gehöre neben moderner Abgasnachbehandlung die Verflüssigung und Digitalisierung des Verkehrs, die Förderung alternativer Antriebe und Mobilitätsangebote sowie eine rasche Flottenerneuerung, vor allem bei Taxis und Bussen. Wissmann: „Keine Maßnahme allein wird ausreichen, um kurzfristig in den betroffenen Städten den sehr anspruchsvollen Luftqualitätswerten zu entsprechen. Im Ergebnis kommt es also auf wirkungsvolle Paketlösungen an.“ Ein Element eines solchen Maßnahmenpakets könne die Absenkung der Stickoxid-Emissionen von Euro-5-Diesel mittels neuer Software sein.
Aktuell gehen die deutschen Hersteller davon aus, dass etwa die Hälfte ihrer Euro-5-Diesel, die auf den Straßen unterwegs sind, für solch eine Nachbesserung geeignet ist. Durch ein Software-Update könnten diese Euro-5-Fahrzeuge ihre NOx-Emissionen auf der Straße deutlich senken, ohne jedoch das Niveau neuer Euro-6-Fahrzeuge zu erreichen. Ziel einer solchen Nachbesserung wäre es, Fahrverbote zu vermeiden und die Verbesserung der Luftqualität, die ohnehin durch die natürliche Bestandserneuerung in den kommenden Jahren erfolgt, zu beschleunigen. Dafür fordert Wissmann, ein politisches Gesamtkonzept sei nötig.
Derzeit entsprechen erst 18 Prozent der Diesel-Pkw auf deutschen Straßen der Euro-6-Norm. Je schneller Euro-6-Fahrzeuge auf die Straße kommen, desto größer ist der Fortschritt für die Luftqualität. Bis Ende 2020 werden etwa 50 Prozent des gesamten Diesel-Pkw-Bestands moderne Euro-6-Diesel sein. Das heißt: In wenigen Jahren wird die Stickoxidfrage aller Voraussicht nach gelöst sein. „Es gibt also intelligentere Maßnahmen als Fahrverbote“, stellt Wissmann fest.
Die Erfolge der deutschen Automobilindustrie auf den Weltmärkten in den ersten sechs Monaten des Jahres bezeichnete Matthias Wissmann als „überwiegend positiv“. Offensichtlich trotzten die Verkaufszahlen in den wichtigsten Märkten den gestiegenen politischen Risiken und Debatten im In- und Ausland. Der Pkw-Inlandsmarkt ist um 3 Prozent auf rund 1,8 Mio. Einheiten gestiegen, die Beschäftigung umfasst 812 000 Mitarbeiter – das ist der höchste Stand seit 26 Jahren. Produktion und Export lagen leicht unter dem hohen Vorjahresniveau.
Die Perspektiven für das Gesamtjahr 2017 nannte Wissmann „ordentlich“. Danach soll der Pkw-Weltmarkt weiter auf 84,5 Mio. Pkw (+2 Prozent) wachsen. Die bisherigen Krisenländer (Brasilien, Russland) erholen sich langsam. Ihre langjährige Talfahrt sei zumindest vorbei, meint Wissmann. Es gehe wieder voran, allerdings von einem niedrigen Niveau aus. Die drei großen Märkte – USA, China und Europa – stehen für 70 Prozent des Pkw-Weltmarktes. ampnet
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