Paul Pietsch Rallye 2023 – Ohne Scheidungsanwalt im Ziel
Paul Pietsch Classic. Hinter dem abgegriffenen Lenkrad des Opel Kadett GTE riecht es nach Benzin und Öl, so wie alte Automobile eben duften. Der weithin bekannte Youngtimer wurde im Jahr 1977 zugelassen, hat also schon so einiges hinter sich.
Mein Herz pocht beim Start schneller als sonst. In wenigen Augenblicken werde ich mit meinem Mann bei der 10. Paul-Pietsch-Rallye im besonders sportlichen Kadett-Klassiker an den Start gehen. Der Rennfahrer Paul-Pietsch hat einst den Motor Presse Stuttgart Verlag gegründet, in dem so renommierte Zeitschriften wie „Auto-Motor-Sport“ verlegt werden. Pietsch hat die kurvenreichen Straßen des Schwarzwalds genutzt, um zu trainieren und Rennen zu fahren. Deshalb findet die Rallye zu seinen Ehren seit nunmehr 10 Jahren im Gebiet zwischen Offenburg, Freudenstadt und Breisach statt.
10. Paul Pietsch Classic
Die 120 Oldtimer starten im Minuten-Takt unter dem Bogen am Kulturforum. Auch wenn es ein Freizeitvergnügen für die Besitzer der Automobilen Preziosen ist, scheinen alle die über 2 Tage verteilten Aufgaben auf der schönen Strecke ernst zu nehmen. Zum einen, weil es tolle Preise für die Besten gibt, zum anderen, weil es eine Ehre ist, im kleinen Kreis der Oldtimer-Eigner als Siege von der Strecke zu fahren. Nicht wenige nehmen lange Anfahrten in Kauf, um dabei sein zu können.
„Wir fahren in den kommenden beiden Tagen durch eine der schönsten Ecken von Deutschland“, schwärmt Hans Jörg Götzl, Chefredakteur von Motor Klassik beim Fahrerbriefing vor dem Start. Mein Mann und ich sind hier aufgewachsen. Bleibt abzuwarten, ob das eine Heimvorteil mit sich bringt.
Unser gepflegter Kadett GTE, der der Opel Klassik Abteilung gehört, trägt die Startnummer 24. Mit ihm sind wir bestens gerüstet, denn die leichte Schrägheck-Limousine kann 110 PS auf den Asphalt bringen.
Boardbuch und Stoppuhren liegen bereits auf meinem Schoß. „Ist das der Kadett aus der 1000er Serie?“, möchte ein älterer Herr wissen, während er den Kopf durchs Beifahrerfenster streckt. Ohne die Antwort abzuwarten, erklärt er uns alle Details zu unserem sportlichen GTE, der damals der große Widersacher des nicht minder legendären Golf GTI war. Wir haben in dem Moment leider kein Ohr für das wandelnde Automobil-Lexikon, denn wir müssen starten, unsere Startzeit ist nämlich exakt auf 8 Uhr 24 festgesetzt. Wer zu spät kommt, erhält Strafpunkte. Soll schließlich alles seine Ordnung haben.
Rallye-Teilnehmer Jürgen Papst aus Fulda hat schon im vergangenen Jahr im seinem Porsche 911 aus 1992 teilgenommen. Wie viele ist auch Papst Serientäter. In diesem Jahr ist er ohne Sohn Pit gekommen, der 2022 noch sein Beifahrer war. Pit muss sich für Prüfungen in seinem Studium vorbereiten. Ob für den Sohn nun die Ehefrau assistiert? „Die Scheidungsanwälte sollen kein Geld an mir verdienen“, scherzt der Uhrenhändler aus Hessen, weshalb er einen Freund, und eben nicht seine Ehefrau als Beifahrerin mitgebracht hat.
Solche und ähnliche Sprüche spuken unter dem Startbogen durch meinen Kopf. Bevor ich es mir anders überlegen kann, wird zum Glück schon die Startfahne geschwenkt, und unter dem Beifall der Zuschauer auf dem Kulturform machen wir uns auf den Weg. Der sportliche Sound des Vier-Zylinders macht auf Anhieb Freude. Beim Gas wegnehmen lässt unser Kadett Fehlzündungen fahren, das gefällt den Oldtimerfans. „Da haben wir schon andere Hürden genommen, die Rallye kriegen wir gemeinsam und ohne Streit hin“, betont meine bessere Hälfte neben mir.
Wer nun denkt, die moderneren Navi-Systeme dürfen uns den Weg weisen, der irrt. Der Einsatz ist streng verboten. Das lebendige Navigationssystem ist die Beifahrerin. Sie muss das Roadbook lesen und die daraus abgeleiteten Fahrbefehle geben.
Befehle geben kann ich, dass sollte das geringste Problem werden. Zu Beginn läuft alles easy. Schließlich kennen wir uns hier aus und finden den Parkplatz der Hochschule auf Anhieb. Hier gilt es die erste Wertungsprüfung zu absolvieren. 60 Meter müssen in exakt 11 Sekunden zurückgelegt werden.
Knappe 20 km/h habe ich als durchschnittliche Geschwindigkeit ausgerechnet. Danach sollen 10 Meter in 22 Sekunden geschafft werden. Wir waren nicht schlecht, denken wir. Am Ende wird auf unserem Wertungszettel knallhart zu lesen sein, dass 69 andere die Aufgabe besser erledigt haben als wir. So geht es weiter. Wir sind zuversichtlich, und glauben an uns. Das allein reicht aber nicht aus, eingespielte Teams mit viel Erfahrung und Wissen haben uns viel voraus.
„Mein Bruder fährt ja sehr flott“, sagt Patricia Scholten. Gemeinsam mit Bruder Peter-Paul Pietsch führt sie die Oldtimer Rallye in einem Veritas RS an. „Was für ein Gefühl muss es für meinen Vater gewesen sein“, erinnert sie an ihn. Bei der 1. Paul Pietsch Rallye hat er mit seinen 100 Lebensjahren das Geschehen noch verfolgen können. Ja, sie könne sich vorstellen, falls sie mal einen Beifahrer findet, selbst zu fahren. Als „weltbesten Beifahrer“ bietet sich bei der Preisverleihung dann gleich Norbert Griesmayr, der mit Ferdinand Baumgartner den zweiten Platz in einem Mercedes Benz 220 S belegt, an. Markus Heidel und Christoph Herbig werden in einem BMW 850 Ci Erster.
Am Ende der Rallye belegen wir den 89 Rang. Hinteres Mittelfeld könnte man wohlwollend sagen. Die erfahrenen Profis im Opel-Team machen es besser:
Bernd Ostmann, der ehemalige Chefredakteur von AMS und sein Kollege Carl Nowak werden mit dem Opel Corsa A GSi (1989) 12.
Jörn Thomas und Harald Hamprecht werden mit dem Opel GT 23. Der AMS Redakteur und der Opel Kommunikationschef können zudem einen Pokal für die beste Wertungsprüfung mit nach Hause nehmen.
Schade, dass Leif Rohwedder, Opel Classic-Leiter und Jörg Mannsperger, Geschäftsführer der Motor Presse Stuttgart, gleich zweimal bei einer Wertungsprüfung nur Zweiter werden. Mit dem Commodore B GS/E belegen die beiden schließlich Platz 65 .
Auch wenn mein Mann und ich nur 89zigste geworden sind, haben wir die mit viel Liebe ausgesuchten Strecken genossen, ob am Kaiserstuhl oder im Nord-Schwarzwald. Selbst als Einheimische kannten wir nicht alle der zum Teil schmalen und versteckt liegenden Straßen. Einmal mehr sind wir begeistert, welch schöne Ecken unsere Heimat zu bieten hat. Es war ein Vergnügen, Teil der Rallye-Gemeinde gewesen zu sein.
Ach ja: Zwischen uns fiel kein böses Wort und so bekommen Scheidungsanwälte wegen der Paul Pietsch Rallye durch uns keine Arbeit.
Fotos: Christian Bittmann, Der-Autotester
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