Lotus vor einer neuen Zukunft – mit SUV?
Wenn Totgesagte wirklich vor einem langen Leben stehen, dann wird die britische Sportwagenmanufaktur Lotus noch viele Jahre erfahren. Wenige Unternehmen haben im Laufe ihres Bestehens so oft den Besitzer gewechselt, standen regelmäßig vor dem Aus, nur um dann doch ein Comeback zu feiern. Nachdem im vergangenen Jahr der chinesische Konzern Geely von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet die Mehrheit an Lotus übernommen hat, scheint die Marke wieder einmal vor einer glänzenden Zukunft zu stehen.
Geely, unter anderem Eigentümer von Volvo und London Electric Vehicle Company (LEVC – Nachfolger von London Taxi) und Großaktionär bei Daimler, will in den kommenden Jahren knapp zwei Milliarden Dollar (ca. 1,78 Milliarden Euro) in die Marke investieren. Nach einem Bericht der Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg planen die Chinesen, „aus Lotus einen weltweit führenden Luxushersteller“ zu machen.
Ausgerechnet Lotus, die Marke, die sich stets auf fragile und puristische Sportwagen konzentriert hat, die nach der Devise von Firmengründer Colin Chapman wenig Gewicht auf die Waage bringen durften, was sich nicht unbedingt positiv auf den Komfort auswirkte. Bis heute hat die im englischen Hethel angesiedelte Marke nach diesem Konstruktionsprinzip immerhin 100 000 Autos unters Volk gebracht, und die Fans können sich wahrscheinlich viel vorstellen, aber keinen Luxus im Lotus.
Sie werden umlernen müssen; die chinesischen Planer sehen dies offensichtlich anders. Als Basis für den Aufbruch in die Luxusliga könnte, so spekuliert Bloomberg, der Volvo XC60 dienen, denn natürlich darf in der Modellplanung kein Crossover fehlen. Auch ein kleines SUV spielt bei den Zukunftsplanungen angeblich eine Rolle. Schließlich hat auch Porsche mit seinen SUV auf die Erfolgsspur gefunden und baut heute in einem Jahr mehr Fahrzeuge als Lotus in seiner 70-jährigen Geschichte.
In den kommenden Monaten plant Geely, die Entwicklungsmannschaft in Hethel um 200 Ingenieure zu verstärken. Außerdem soll in Coventry ein Designstudio und eine neue Fabrikationsstätte aufgebaut werden. Bei der 70-jährigen Firmenfeier erklärte der Geely-Statthalter Feng Qingfeng während des Goodwood Festivals of Speed, dass das „Vermächtnis von Colin Chapman eine hervorragende Möglichkeit bietet, marktführende Modelle für die Zukunft zu entwickeln“.
Aktuell besteht die Lotus-Modellpalette ausschließlich aus den sportlichen Zweisitzern Elise als Roadster und Exige als Coupé sowie dem 2+2-Sitzer Evora. Die Leistungsbreite reicht dabei von 220 PS bis 436 PS. Die bisherigen Pläne sahen zwei neue Modelle im Jahr 2020 vor – einen Supersportwagen, der von einem zusammen mit Toyota entwickelten Motor angetrieben werden sollte, und einen Nachfolger für den Bestseller Elise, der inzwischen etwas in die Jahre gekommen ist.
Auf jeden Fall ist der Einstieg der Chinesen für Lotus der lang gesuchte Rettungsring. Bleibt am Ende allerdings die Frage, ob die Freunde der Marke dem Kurswechsel folgen oder ob allein die Kraft der Marke ausreicht, die gewünschten Zielgruppen zu überzeugen.
Außerdem, so wollen es wenigstens Gerüchte wissen, plant Geely, Lotus auf den chinesischen Markt einzuführen. Dort waren die Briten schon einmal. Allerdings erinnert man sich in Hethel wahrscheinlich nicht gerne an die Episode. Denn die damals angebotenen Modelle waren Proton-Fahrzeuge, die lediglich das Lotus-Markenzeichen tragen durften. Damals, Anfang der 2000er Jahre gehörte Lotus zum malaysischen Konzern Proton, der ebenfalls einen Kurswechsel für die britische Sportwagenschmiede plante und den Prototyp eines Stadtautos präsentierte, das allerdings nie in Serie ging. Allerdings lehrt die Erfahrung mit LI Shufu (genannt Chairman Li), dass der bisher bei seinen Marken alles richtig gemacht hat, siehe Volvo. ampnet
Fotos: Lotus/Geely
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