Heidelberger Umweltinstitut: Elektro-Oberleitung für Brummis vielversprechend
Güter gehören auf die Bahn. Mit diesem Slogan wollte sich nicht nur der Schienenverkehr vor geraumer Zeit etwas vom wachsenden Gütertransport-Kuchen abschneiden. Auch mancher Autofahrer wollte diese Forderung ob der schon damals schier endlos erscheinenden Brummi-Kolonen auf den Fernstraßen unterschreiben. Es hat sich seitdem nichts geändert. Nur dass die Schlangen auf der rechten Spur noch länger geworden sind, die Parkplätze für Lastwagen überquellen und die schweren Brummer immer häufiger auf Landstraßen ausweichen, um Staus und die Autobahnmaut zu umgehen.
Vier Fünftel aller Gütertransport-Leistungen in Deutschland übernehmen Lastwagen. Nach jüngsten Studien des Instituts für Energie- und Umweltforschung (ifeu) mit Sitz in Heidelberg aber ist eine Umverteilung der Waren auf andere Transportsysteme wenn überhaupt, dann nur sehr langfristig möglich. Insbesondere der stockende Ausbau des Schienennetzes ist dafür verantwortlich. Hier hat Deutschland einmal mehr gezeigt was es nicht kann. Während Österreich ihre Leistungen für eine Beschleunigung der Schienentransporte über den Alpen-Hauptkamm längst geliefert haben, ist die Bundesrepublik für das zunehmend enger werdende Nadelöhr der Strecken am Oberrhein und zwischen Rosenheim und Kufstein verantwortlich zu machen.
Aber wie ist Abhilfe zu schaffen, damit wir zumindest eine Chance auf die Erreichung der gesteckten Klimaziele bewahren? Jörg Jöhrens, Physiker und Projektleiter am ifeu, sieht sie in der Elektrifizierung der Lastzüge und Sattelschlepper. Nicht, dass die Brummis mit den notwendigen, wohl tonnenschweren Batterien ausgerüstet werden sollten. Diese würden ihre Nutzlast wesentlich verringern, was die Wettbewerbsfähigkeit im harten Markt der Spediteure dramatisch verschlechterte. Vielmehr sieht er Entwicklungsmöglichkeiten beim Aufbau eines flächendeckenden Oberleitungsnetzes, aus dem sich die Lastwagen über lange Strecken bedienen können.
Feldversuch auf der A5 vielversprechend
Bereits heute gibt es einen Feldversuch, der die Tauglichkeit des neuen Ansatzes unter Beweis stellen soll. Auf der A5 zwischen Frankfurt am Main und Darmstadt können sich die Testteilnehmer in beiden Richtungen über sechs Kilometer in eine Oberleitung auf der rechten Spur einklinken und fahren dann ausschließlich mit elektrischer Energie. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend, daher sind zwei weitere Versuchsstrecken, eine in Baden-Württemberg, eine andere in Schleswig-Holstein, im Aufbau. Der technische Aufwand ist überschaubar. Die Lastwagen müssen mit einem zusätzlichen Elektromotor und einem ausfahrbaren Stromabnehmer wie bei E-Loks ausgerüstet werden. Steht eine Oberleitung zur Verfügung, koppelt sich der Brummi daran an und fährt nun rein elektrisch. Für Überholvorgänge und vor allem die letzten Meilen jenseits der elektrifizierten Fernstraßen schaltet der Fahrer auf den Betrieb mit dem herkömmlichen Diesel um.
Die Umrüstung kostet natürlich mehr. Statt der üblichen, etwa 100.000 Euro für eine Sattelzugmaschine müssten rund 130.000 Euro investiert werden. Da die Lastwagen jedoch mehr als 100.000 Kilometer im Jahr zurücklegen, würden sich die Kosten aufgrund des wesentlich günstigeren Elektrobetriebes schnell relativieren. Konventionell angetriebene Brummis verbrauchen etwa 30 Liter auf 100 Kilometer, beim aktuellen Treibstoffpreis wären dies 39 Euro für den Diesel. Der Stromverbrauch auf gleicher Strecke schlägt dagegen mit nur der Hälfte dieser Kosten zu Buche. Der Vorteil für den Klimaschutz wäre immens, sofern die elektrische Energie nachhaltig gewonnen wird. Denn vier Fünftel der Transportleistung in Deutschland leisten Lastwagen, sie verursachen ein Drittel aller Straßenverkehrsemissionen, fünf Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes in Deutschland.
Bis 2030 könnten 4000 Autobahn-Kilometer eine Oberleitung bekommen
Das ifeu regt nun an, längere Versuchsstrecken zu errichten, um Spediteuren die Vorteile des elektrischen Lastwagenantriebs zu vermitteln. Denn die müssen überzeugt werden: „Das ist wie die Frage nach dem Huhn/Ei-Prinzip“, sagt Jörg Jörgens. Die Unternehmen müssten in Vorleistung gehen, um die Errichtung eines flächendeckenden Oberleitungsnetzes zu rechtfertigen. Rein theoretisch wäre das bis 2030 möglich, dann könnten etwa 4000 Autobahn-Kilometer mit Oberleitungen ausgerüstet werden. Vor allem die stark befahrenen Autobahnen mit einstelligen Kennnummern wären dafür prädestiniert, auch die Verbindungen im Norden, wo der Güterverkehr wegen des Container-Umschlags in den Seehäfen besonders hoch ist.
Die technische Seite sei keine Raketenwissenschaft, so Jörgens. Die Verbindung zur Oberleitung kann auf Knopfdruck erfolgen. Sensoren prüfen, ob die richtige Spur befahren wird und teilautonomes Fahren würde das Verfahren obendrein erleichtern. Der negative Einfluss auf das Verkehrsgeschehen ist gering. Aber es gilt zu prüfen, ob Oberleitung die Wahrnehmung von Verkehrsschildern einschränken. Erste Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass dies nicht relevant ist. Für die Landung eines Rettungshubschraubers liegen dagegen noch keine belastbaren Zahlen vor. Auch Fehlfunktionen, wie ein Kurzschluss auf der Strecke, müssen untersucht werden.
Die Brennstoffzelle als Energielieferant sieht das ifeu als Lösung für den Verteilerverkehr, also die letzten Meilen der Lieferkette. Dem Diesel dagegen gibt das Institut keine Zukunft. Denn der Preis des Treibstoffs wird nach dem jüngsten Zwischentief weiter steigen. Und dann könnte der Kostendruck auf die Speditionen so groß werden, dass sie sich förmlich nach der Oberleitung für ihre Lastwagen-Flotten sehnen. ampnet
Foto: Siemens und Scania
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