Fiat Tipo – Kann der Italiener dem Golf an den Karren fahren?
Den neuen Fiat Tipo gibt es in drei Modellversionen. Neben der Stufenheck-Limousine feiern nun auch der 5-Türer und der Kombi ihre Weltpremiere. Dabei strebt Fiat mit Preisen ab 13.990 Euro so etwas wie eine Preisführerschaft im Segment der Kompakten an. Denn beim Tipo soll weniger ganz bewusst mehr sein. Soll heißen: Mehr Auto für weniger Preis.In Italien erinnert man sich nur zu gerne an den Tipo aus dem Jahre 1989. Er wurde damals zum Auto des Jahres gewählt und überzeugte durch Funktionalität, Einfachheit und Charakter. Ob der Italiener dem Golf mit dieser Strategie tatsächlich zur Konkurrenz werden kann?
Dass dieses Konzept aufgehen könnte, zeigen die Verkaufszahlen der 4-türigen Limousine. Sie wurde auf dem Genfer Automobilsalon im März 2016 präsentiert und ist seit dem 5. Februar bestellbar. In den ersten 5 Monaten hat der Fiat Konzern bereits 22.000 Stück des Tipo in Europa verkauft. So ist es nahe liegend, dieses Modell durch die Einführung von Karosserie-Varianten weiter zu diversifizieren, um noch mehr Kunden für den Tipo zu begeistern. Seit dem 3. Mai ist daher eine 5-Türer Variante des Golf-Konkurrenten bestellbar. Sie wird ab dem 11. Juni erstmals bei den Händlern stehen. Wer sich für den Kombi interessiert, muss bis nach dem Sommer warten.Simplizität und Funktionalität sind schöne Worte. Aber Autos werden auch über ihre Optik verkauft. Und auch hier muss sich der italienische Vertreter der unteren Mittelklasse wahrlich nicht verstecken. Denn sein Look hat Charakter und Wiedererkennungswert, ohne dabei zu verspielt zu wirken. Das Design des Tipo kommt ohne viel Schnick-Schnack aus, zeichnet sich durch eine sportlich flache Erscheinung aus und sorgt trotzdem für ausreichend Kopffreiheit auf den Rückbänken. Dabei ist das Dach in der Mitte etwas niedriger, was für einen guten cW-Wert von 0,29 sorgt und den Insassen trotzdem ausreichend Raum bietet. Der lange Radstand und die vergleichsweise kurzen Überhänge sorgen für eine gute Raumnutzung im Inneren. Auffällig auch der kleine Wendekreis des Tipo von gerade mal 11 Metern. Auch von hinten gefällt das Design des italienischen Kompaktwagens um seine markanten Rückleuchten im Hockey-Schläger-Design. Fiat nennt das ganze „Design to run“ und hat damit schlichtweg ein ausgesprochen gelungenes, optisches Konzept auf Räder gestellt.
Der Innenraum ist durch die bis zu 80 Grad öffenbaren Türen leicht zu erreichen. Neun sinnvoll platzierte Ablagefächer bieten insgesamt 12 Liter Stauraum. Das Raumgefühl ist vorne wie hinten im Klassenvergleich üppig. Nur sind hinten leider nicht drei echte Sitzflächen ausgeformt. So sitzt man lediglich auf den äußeren Sitzen bequem und mit ausreichend Kopf- und Beinfreiheit. Das Kofferraum-Volumen des Tipo ist mit 440 Litern (Limousine) ordentlich groß ausgefallen.550 Liter bietet der Kombi. Bei umgeklappter Rückbank lassen sich in ihr Gegenstände bis zu 1,80 Meter verstauen. Die meisten Italiener könnten hier locker schlafen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Auf den vorderen Plätzen fährt es sich, wie meist, am komfortabelsten. Die klaren und gut sichtbaren Instrumente machen dem Fahrer das Leben genauso leicht, wie ihre logische Bedienbarkeit und Anordnung. Die wichtigsten Features wurden horizontal ausgerichtet am Lenkrad angebracht. Weniger wichtige finden ihren Platz in der Vertikalen.
Der sieben Zoll große Tablet-Colour-Touchscreen inmitten des Armaturenbrettes ragt ähnlich heraus, wie bei der Konkurrenz um Mercedes. Und es lässt sich beinahe so intuitiv bedienen wie ein Tablet. Das TomTom-Navigationssystem verrichtet seinen Dienst zuverlässig, auch wenn es oft etwas hinterher hinkt. Hartplastik dominiert im Innenraum, sicher gibt es qualitativ hochwertige Innenräume. Aber im Verhältnis zu dem relativ geringen Preis erscheinen Materialanmutung und Haptik annehmbar.
Bei den Motoren hat der geneigte Kunde die Wahl zwischen drei Varianten: Benzin, Autogas und Dieselmotoren. Zwei 1.4-Liter Benziner mit 70 kW / 95 PS und 88 kW /120 PS und zwei Diesel als 1.3-Liter mit 70 kW / 95 PS und als 1.6 Liter-Vierzylinder mit 88 kW /120 PS. Als Getriebe werden eine Handschaltung, eine klassische Automatik und auch ein Doppelkupplung angeboten. Der Tipo mit dem 1.6-Liter-Diesel-Motor hat uns positiv überrascht. Das 88 kW /120 PS-Aggregat verrichtet seine Arbeit dank des maximalen Drehmoments von 320 Newtonmetern sehr solide. Nach 9,7 Sekunden erreicht der Golf-Konkurrent Tempo 100. Schluss ist erst bei 200 Stundenkilometern. Der Norm-Verbrauch dieses Dieselantriebs wird von Fiat mit 3,7 Litern auf 100 Kilometer angegeben. Auf unseren Testfahrten haben sich Verbrauchswerte um 5 Liter als realistisch erwiesen. In Puncto Laufruhe und Fahrkomfort ist kein großer Unterschied zum Branchenprimus Golf zu erkennen. Die 6-gängige Handschaltung werkelt präzise und das Fahrwerk ist straff genug, um den Tipo auch in schnell angefahrenen Schikanen stabil die Spur zu halten.
Fazit
Wirtschaftlich hatte Fiat bei den vielen hochpreisigen Wettbewerbern im Kompakt-Segment kaum eine andere Wahl, als auf einen niedrigen Preis zu setzen. Und das scheint gelungen, ohne zu viel an Qualität einzubüßen. Mit Preisen ab 13.990 für den Stufenheck Tipo mit dem 95 PS starkem Benziner in der niedrigsten Ausstattungsvariante „Pop“ und 14.990 Euro für den vergleichbaren 5-Türer bietet Fiat einen ausgesprochen niedrigen Preis. Dabei hat die Basisversion „Pop“ bereits das Nötigste an Bord, darunter ein USB-Radio, eine Klimaanlage und elektrische Fensterheber vorn. Der 5-türige Kombi soll im Juni folgen und wird wohl ab 15.990 Euro zu haben sein. Will man ihn allerdings umfassend ausgestattet haben, so werden mindestens 22.000 Euro verlangt. Ein interessanten Vorteil bietet Fiat mit der „Free to change“ Option. Ist man als privater Tipo-Käufer nicht zufrieden mit dem gekauften Tipo, kann man innerhalb von 30 Tagen auf ein anderes Auto aus dem FCA Konzern (Fiat, Alfa, Jeep, Chrysler) wechseln.
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Jan Weizenecker
Absolvent der Volks- und Betriebswirtschaftslehre der Albert-Ludwigs Universität Freiburg. Mal in kleinerem, mal in weiterem Radius, aber immer mit der nötigen Portion Humor, berichte ich seit 2012 über die Neuerscheinungen der Automobilwelt.
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