„Driftige“ Gründe für den Audi R8 RWS – #ErstervonHinten
Wissen wir denn noch, was wir wollen? Oder leben wir komplett in der „Generation Why“ – auch bei Autos? Jeder möchte sein Handy connecten – am besten noch mit sich selbst – und wenn das nicht geht, bitte schön wenigstens mit der Karre. Das gehört zum guten Ton. Sicherheits-Assistenten – sowieso. Niemand will im Auto sterben, dafür hat man ja nicht die letzten Jahre im Fitness-Studio geschwitzt und hat auf Fleisch verzichtet. Sitzheizung? Ja, bitte, und auch das beheizbare Lenkrad. Das ist schon arg nett im kalten Winter. Generell sollte es was Großes, Hohes sein mit sportlichen Genen. Aber verbrauchen darf es nicht viel. Vielleicht mit Diesel? Ach ne. Dann E-Antrieb. Der steht für sauber! Ist er zwar auch nur lokal, aber Fakten liegen ja nicht im Trend. Beschreibe ich das Dilemma eines schneeblinden Eskimos im automobilen Eisregen von Diesel-Gate und Modellflut? Vieles macht mich traurig. Ich sehne mich nach Wärme, Bindung und Abwechslung.
UND DANN … baut Audi dieses Auto …Der Neue ist ein Auto, das mich daran erinnert, warum ich diesen Job mache. Namentlich heißt meine neue Liebe: Audi R8 V10 RWS. Ich stelle sie euch hier vor: Der R8, das ist der Sportwagen von Audi. Das sportlichste Modell in der Audi Sport Familie, die früher ja mal „Quattro GmbH“ hieß. Auf den Namen V10 hört der 540 PS starke Antrieb mit eben zehn Töpfen. RWS bedeutet „Rear Wheel Series“ – also Heckantrieb. Heckantrieb? Ja, Heckantrieb. Kritische Beobachter des Automobil-Zirkus werden direkt bemerken: DAS GAB es ja noch NIE bei den Ingolstädtern.
Richtig: Das erste Mal von hinten – und ist im R8 RWS deshalb auf 999 Stück limitiert. Dabei ging die Kleinserie, welche in Handarbeit in der R8-Manufaktur „Böllinger Höfe“ bei Neckarsulm gefertigt wird, im Medienrummel der IAA 2017 beinahe unter. „Der Audi R8 V10 RWS ist gemacht für Puristen“, erklärt Stephan Winkelmann, Geschäftsführer der Audi Sport GmbH.Das muss echten Enthusiasten niemand beschreiben. Denn der Neue ist satte 50 Kilo leichter. 33 Pfund werden durch das Weglassen von allem was die Kraft an die Vorder-Räder treibt (Kardanwelle, Lamellenkupplung und Vorderachsgetriebeerklären) eingespart werden. Die restlichen Kilos sind durch den Verzicht auf Adaptive Dämpfer, Dynamik- und Allradlenkung zu erklären. 1.590 Kilo wiegt der Sportler nach dieser Low-Carbon-Diät. Serienmäßig steht er auf 19 Zöllern. 20-Zoll Schlappen und Keramikbremsen sind genauso wenig erhältlich, wie zusätzliche Fahrmodi. Außerdem kommt der RWS ohne elektronisch geregelte Hinterachs-Sperre aus. Dafür gibt es ein klassisches mechanisches Differential. Manchmal kann weniger tatsächlich mehr sein.Und diese Liebe zum Purismus für Fahr-Dynamiker soll auch jeder sehen. Deshalb kommt der RWS ein bisschen anders daher, als der „normale“ R8. Deutlichstes Erkennungszeichen ist der Singleframe-Grill. Er wird mattschwarz lackiert, genau wie die Luftöffnungen an der Frontschürze und am Heck. Auch das obere Sideblade an den hinteren Fenstern des Coupés schimmert dunkel. Dazu passen die serienmäßig schwarzen 19-Zöller. Wer sich weiter abgrenzen will, der ordert eine spezielle Audi-Sport Folierung, die quer übers Auto führt. Das Cockpit ist – bis auf das „1 of 999“-Schildchen – baugleich mit dem aller R8.
Der R8 RWS ist auf 999 Stück limitiert.
Er ist etwas ganz besonderes.Der Protagonist in einem Sportwagen ist natürlich der Antrieb. Sein Herz: Der 5,2-Liter-V10 Sauger, der mit dem R8 RWS zwangs-verheiratet wurde, leistet 540 PS und stellt genauso viel Drehmoment bereit. Er ist „nur“ der kleinere, der beiden für den R8 verfügbaren Aggregate. Zwar leistet der fettere V10 Plus Motor mit seinem Allradantrieb 610 PS, braucht nur 3,2 Sekunden und kommt auf 330 km/h spitze. Doch auch der „Kleine“ ist jederzeit im Stande, für mächtig Vortrieb zu sorgen. Seine Drehfreudigkeit passt gar besser zum RWS Konzept. Er beschleunigt in 3,7 Sekunden (0,2 mehr als der Allrad) von 0 auf 100. Seine Höchstgeschwindigkeit erreicht er bei 320 Stundenkilometern – genau wie der „Große“. Angetrieben wird auch der RWS vom knackigen 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, das bei Audi „S-Tronic“ heißt. Mit ihm hat mein Deckel seine zehn Töpfe gefunden.Fährt man den ersten Hecktriebler der Ingolstädter Geschichte, so fühlt er sich genau das Stück echter und lebendiger an. Er wirkt trotzdem ausgeglichen. Die bemerkenswerte Balance ist durch die gute Gewichtsverteilung zu erklären. Es verbleibt ein Hang zum Untersteuern beim Überperformen am Gaspedal. Er lässt sich aber mit gezielten Stößen von Letzterem wieder sanft einfangen. Das liegt zum einen am angepassten Fahrwerk. Die Audi Ingenieure haben die passiven Dämpfer härter eingestellt, den Vorderachs-Stabilisator verstärkt, und der Hinterachse mehr Sturz verpasst. Natürlich musste auch die Kennlinie der Lenkung ans neue Konzept adaptiert werden. Sie wirkt jetzt sehr direkt und trotzdem nicht unrund oder überspitzt. Wer jetzt denkt, dass Audi damit ein unbeherrschbares Drift-Monster geschaffen haben könnte, der irrt. Fährt man den RWS unterhalb des Grenzbereichs, dann ist er so klebrig, dass man sich in der Allrad-Variante wähnt. Das ist wohl das größte Kompliment, das man ihm machen kann.
Legt man auf Reifen nicht zu all zu viel wert und spendiert Audi einem für die zweitschönste Nebensache der Welt ein Flughafengelände und ausreichend Gummi, dann knallt’s. Jetzt spüre ich, wie groß das Match zwischen mir und dem R8 V10 RWS ist. Natürlich muss man sich ans das neue Fahren gewöhnen. Ganz ohne kurzes Vorspiel flutscht es schließlich nicht. Doch dann kommen wir ganz leicht rein und mit etwas Gefühl auch ziemlich sanft wieder raus. In die Kurven versteht sich. Hat man den Dreh ein mal raus, dann sind auch große Lenkwinkel (!) kein Problem. Eigentlich will dieses Auto nicht quer. Sein Mittelmotor-Konzept war nicht fürs Driften gedacht. Er dreht sich folglich schneller, als erwartet. Im Anschluss muss abrupt der harte Schlag des Gegenpendlers einfangen werden. Potenziellen Käufern sei gesagt, dass der heiße Tanz anspruchsvoll ist, aber unglaublich viel Spaß macht. Wenn man den Dreh mal raus hat, dann ist das Driften in Audis erstem Hecktriebler für mich absolut die zweitschönste Nebensache der Welt.
Fazit
Der Audi R8 V10 RWS stellt Fahrdynamik pur bereit, er zeigt eine ausgeglichene Balance, ist zuverlässig, souverän und mit seiner sanften Federung und dem Virtual Cockpit ein Partner für jeden Tag. Ob ich den hyperaktiven Allradler vermisse? Höchstens beim Skifahren, denn er kann mich schließlich mit viel Traktion auf eingeschneite Berghütte begleiten. Ansonsten mit Nichten, denn der Neue ist leichter, echter, lebendiger und humorvoller. Dabei ist hier die große Liebe vergleichsweise günstig zu haben. 140.000 Euro legt man für das Coupé hin, der Roadster liegt bei 153.000 Euro. Satte 26.000 Euro weniger kostet der RWS. Zwischen Angebot und Nachfrage dürfte beim R8 RWS ein Ungleichgewicht bestehen. Denn er wurde – warum auch immer – auf 999 Exemplare limitiert.
Technische Daten:
Audi R8 RWS
Länge x Breite x Höhe (m): 4,43 x 1,94 x 1,24
Radstand (m): 2,65
Motor: V10-Benziner, 5204 ccm, kombinierte Einspritzung
Leistung: 397 kW / 540 PS bei 7800 U/min
Max. Drehmoment: 540 Nm bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 320 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 3,7 Sek.
ECE-Durchschnittsverbrauch: 12,4 Liter
CO2-Emissionen: 283 g/km
Effizienzklasse: G (Euro 6)
Leergewicht / Zuladung: 1590 kg / 300 kg
Kofferraumvolumen: 112 Liter
Wendekreis: 11,2 m
Räder / Reifen: 8,5 J x 19 / 245/35 R 19 vorn, 11 J x 19 / 295/35 R 19 hinten
Preis: 140.000 Euro
Fotos: Stefan Kleeberger
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Jan Weizenecker
Absolvent der Volks- und Betriebswirtschaftslehre der Albert-Ludwigs Universität Freiburg. Mal in kleinerem, mal in weiterem Radius, aber immer mit der nötigen Portion Humor, berichte ich seit 2012 über die Neuerscheinungen der Automobilwelt.
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