Cadillac Escalade – Wie das Wohnzimmer der Amerikaner
Der Cadillac Escalade
Was für ein Riesenteil. Der Cadillac Escalade steht wohl für das automobile Amerika, wie der Eiffelturm für Paris. Beide drücken die Kultur ihres Landes aus. Der Eifelturm hoch, mächtig und doch fragil in seiner feinen Gliederung. Der Escalade groß, machtvoll und massig.
Der Escalade ist ein Statement. Hier bin ich. Mir kann keiner. Ich bin übermächtig. 22 Zoll Räder sind Serie in der von uns getesteten Platinum Version. Noch Fragen? Eigentlich ist der Escalade nicht für Europa geschaffen. Er will weder zur Breite unserer Fahrspuren, noch zur Größe unserer Parkplätzen passen. So wird es immer wieder eng. Zumindest gefühlt.
Das glänzende Weiß (Crystal White kostet 2.150 Euro Aufpreis) unseres Testwagens steht ihm gut. Reichlich Chrom – ohne Aufpreis – auch. Wer dieses Auto kauft, der will nicht unerkannt durch die Straßen zuckeln. Der Escalade garantiert den wuchtigen Auftritt. Mit ihm kann man es den Klassenkameraden, die einen früher gehänselt haben, mal so richtig zeigen. Die elektrisch – beim Öffnen und Schließen der Türen – aus- und einfahrenden Trittbretter hinterlassen mächtig Eindruck, wenn man das Fahrerhaus leichtfüßig erklimmt. Die Reaktionen auf den Escalade sind höchst unterschiedlich. Er polarisiert gewaltig. Das variiert vom verständnislosen Kopfschütteln bis zum nach oben gerissenen Daumen und offenen Mündern.
Ganz ähnlich ist der Auftritt des Escalade auch innen. Typisch amerikanisch. Aber durchaus hochwertig, was man beim Preis von über 100.000 Euro allerdings auch erwarten darf. Hochwertiger Kunststoff und Semianilin-Leder, wo es nur möglich ist. Drei Sitzreihen, drei Monitore (8 Zoll und 12,3 Zoll),
und eine fette Mittelkonsole, die sogar einen Kühlschrank in sich trägt. Sitze auf dem qualitativen Niveau von Fernsehsesseln. Die schwarzen Ledersitze verfügen über Heizung, Belüftung und drei verschiedene Massagefunktionen in jeweils drei Intensitäten. Das ist feudal und tut dem geplagten Rücken mehr als gut. Die Japanische-Schwarzesche-Dekore passen gut zur schwarzen Innen-Ausstattung. Sensitive Touch-Elemente sind fast zu empfindlich, denn sie lösen ihre jeweilige Funktion aus, bevor man es erwartet. Daran gewöhnt man sich aber bald.
Wie das Wohnzimmer der Amerikaner
Durch die hohe Sitzposition, das große Schiebedach und die riesigen Dimensionen des Innenraums fühlt man sich im 7-Sitzer ganz und gar nicht eingeengt. Im Gegenteil: Die Beifahrerin sitzt jedoch so weit weg, dass jegliche Annäherungsversuche mit dem Fahrer durch den in der Mittelkonsole sitzenden Kühlschrank eiskalt verhindert werden. Dafür fasst er sechs halbe Liter Flaschen oder was sonst so zu abzukühlen ist.
Gewöhnen musste ich mich an den Gangwahlhebel im Escalade. Hebel ist hier wirklich der passende Ausdruck. Hinter dem Lenkrad liegend braucht das runde 30 Zentimeter lange Teil wirklich Kraft und etwas Geschick, um den richtigen Gang einlegen zu können. Schnell geht das Schalten mit diesem Teil jedenfalls nicht. Auch mit dem Multimediasystem hatte ich zunächst zu kämpfen. Intuitiv geht jedenfalls anders.
Nix mit Downsizing: 6,2 Liter V8 mit 426 PS
Der Klang des Monsters unter der Haube ist der Wahnsinn. Beim Kick-Down vollführt der V8-Saugmotor ein wahres Konzert. Nicht Mozart. Iron Maiden. Effizienz? Wer einen Escalade haben will, der kauft ihn nicht deshalb. Um die 15 Liter laufen da je 100 Kilometer schon durch (kombinierter NEFZ-Normwert: 12,6 Liter), wenn er gefordert wird, gern auch 20 Liter. Es sei denn man schiebt ihn. Aber wann hat man schon mal 10 Mann zur Verfügung. Der 6,2 Liter V8-Sauger mit seinen 426 PS und den 610 Newtonmetern Drehmoment und Allradantrieb befördert den schweren Escalade aus dem Stand in 6,7 Sekunden auf Tempo 100. Danach geht es zügig auf maximal 180 Stundenkilometer. Danach wird elektronisch abgeriegelt. Sicherheit und Verbrauch sind gute Argumente dafür.
Magic Ride Fahrwerk
Der Cadillac Escalade verfügt über eine überraschende Fahrdynamik. In den USA wird er bekanntlich oft als Regierungsfahrzeug oder für hochrangige Wirtschaftsbosse eingesetzt. Da ist nicht allein zügige Beschleunigung gefragt, sondern auch ein komfortables, aber auch überaus präzises Fahrverhalten. Durch Kurven führt einen das variabel einstellbare Magnetic Ride Fahrwerk durchaus dynamisch. Wobei man die Fahrdynamik selbstredend nicht mir einer deutschen Luxus-Limousine vergleichen kann. Die Lenkung des Escalade arbeitet präzise. Die 8-Gang-Wandler-Automatik ist mehr auf Komfort denn auf schnellstens Schalten ausgelegt, lässt sich aber auch manuell schalten.
Parkplatzsuche? Joa, geht schon
Die Höhe des Escalade von 1,89 Meter ist für so manch betagtes Parkhaus ein ausschließendes Kriterium. Nicht aber seine Länge. Denn mit seinen 5,18 Metern ist der Escalade nur unwesentlich länger als ein Panamera oder eine S-Klasse. Das Einparken mit ihm geht zwar nicht automatisch, aber die Rundum-Kameras sorgen in Kombination mit den großen und geradlinigen Fensterflächen für gute Übersicht. Auch sein Wendekreis von 11,9 Metern ist für dieses 2,8 Tonnen schwere Gefährt gar nicht mal schlecht. Seine Breite von 2,04 Meter macht Fahrten durch Parkhäuser allerdings nicht zum Vergnügen.
Fazit
Groß und mächtig … schicksalsträchtig, sang schon Wolfgang Ambros, meinte aber nicht den Cadillac Escalade. Mein Schicksal wird der Escalade jedenfalls nicht. Er passt nicht zu mir und auch nicht wirklich zu den Straßen in Europa. Er wirkt wie ein Fremdkörper aus einer anderen Kultur. Aber er fällt auf. Und mit ihm fällt auch sein Fahrer auf. Wer also im Blickpunkt stehen möchte … der Escalade kann dazu verhelfen. Wenn man das nötige Kleingeld (unser Testwagen kostet 116.000 Euro) für Kauf und Unterhalt aufbringen kann. In Summe seiner Eigenschaften finde ich indes kaum rationale Argumente für den Escalade. Spaß hat er mir aber trotzdem oder vielleicht gerade deshalb gemacht.
Technische Daten
Cadillac Escalade Premium
Länge x Breite x Höhe (in m): 5,18 x 2,06 x 1,90
Radstand (m): 2,95
Motor: V8-Benziner, 6162 ccm
Leistung: 313 kW / 426 PS bei 5600 U/min
Max. Drehmoment: 610 Nm bei 4100 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h (abgeregelt)
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 6,7 Sek.
ECE-Durchschnittsverbrauch: 12,6 Liter
CO2-Emissionen: 302 g/km (Euro 6)
Effizienzklasse: E
Leergewicht / Zuladung: 2751 kg / 560 kg
Kofferraumvolumen (dachhoch): 431 – 2668 l
Max. Anhängelast: 3100 kg
Wendekreis: 11,9 m
Bereifung: 285/45 R22
Preis: 116.000 Euro
Ähnliche Beiträge
Dr. Friedbert Weizenecker
Dr. Friedbert Weizenecker - Seit mehr als 15 Jahren schreibe ich Auto-Themen für mehrere Zeitungen. Vor meiner Zeit als Auto-Journalist habe ich wirtschaftswissenschaftliche Features für ein Wirtschaftsmagazin und für Zeitungen verfasst. Als Volkswirt, Betriebswirt und Soziologe versuche ich auch ökonomische und gesellschaftliche Aspekte einfließen zu lassen. Autos sind meine Leidenschaft.
Ähnliche Beiträge
6. Dezember 2019
Peugeot e-2008: Kompakt-SUV unter Strom
Peugeot macht ihn größer. Der neue 2008 kommt zudem - neben den thermischen Motoren - mit einem rein elektrischen…
12. Mai 2023
EM1 e: – Honda stellt sein erstes Zweirad-Elektrofahrzeug vor
Es hat ein wenig gedauert, aber jetzt bringt der weltgrößte Motorradhersteller sein erstes Elektro-Zweirad auf den…
18. Juni 2020
BMW pflegt M5 und M5 Competition
Die Bayern haben ihre Sportlimousinen M5 und M5 Competition modellgepflegt. Der M5 fährt nun auf den gleichen…