Volvo XC90 Twin Engine – Die sparsame Kraft der zwei Herzen
Plug-in-Hybrid Antriebe scheinen in Mode zu kommen. Der Diesel-Skandal und die damit verbundene Verunsicherung der Neuwagenkäufer verstärkt diese Entwicklung. Und falls die Deutsche Regierung die aktuell diskutierte Förderung von Elektromobilität tatsächlich verabschieden sollte, könnte man künftig deutlich mehr dieser mobilen Mischlinge aus Verbrenner und E-Motor auf unseren Straßen sehen.Nicht zuletzt die bislang als besonders durstig bekannten SUVs mit ihren reinen Benzin-Antrieben sollten von der Kraft der zwei Herzen profitieren. Wenn es dann noch gelingt, wie es BMW aktuell propagiert, die Preise der Plug-in-Modelle nicht höher anzusetzen, als die gleichstarker Verbrenner, dann sollten dem Plug-in-Konzept eine lange Übergangsphase gehören, bis sie durch neue Technologien abgelöst werden könnte.Plug-in-Technologie kommt in Mode
Nachdem BMW im vergangenen Jahr schon eine Plug-in-Variante des X5 vorgestellt hat, zieht Volvo nun mit dem XC90, der erst seit 2015 auf dem Markt ist, nach. Der-Autotester hat den neuen XC90 Twin Engine unter die Lupe genommen und über zwei Tage hinweg auf Österreichs Straßen gefahren. Zunächst zu den kühlen Fakten. Die Kombination aus Benzin-Verbrenner und E-Motor stellt eine maximale Systemleistung von 300 kW (407 PS) und ein Drehmoment von 640 Newtonmetern bereit. Der etwas verwirrende Norm-Durchschnittsverbrauch von 2,1 Litern je 100 Kilometer (das entspricht 49 g CO2 je Km) kommt rechnerisch zustande, weil der Stromverbrauch nicht in die Verbrauchsberechnung eingeht.
Doch wie viel Benzin verbraucht der XC90 mit den zwei Antriebsherzen tatsächlich? In starker Abhängigkeit von der abgerufenen Leistung hat sich auf unseren Testfahrten ein Verbrauch zwischen 7,2 und 8,9 Litern ergeben. Damit liegt der Verbrauch in etwa auf dem Niveau eines modernen 6-Zylinder-Diesel-Aggregats, das Volvo für den neuen XC90.
Doch wo liegt dann der Vorteil des Plug-in-Antriebs mit dem man neben dem Rekuperieren auch an Steckdosen elektrische Energie tanken kann? Ganz einfach. Wer nur kurze Strecken bewältigen möchte, kann diese rein elektrisch angetrieben zurücklegen und damit zumindest lokal emissionsfrei fahren. Volvo gibt als E-Reichweite maximal 42 Kilometer an. Nach unseren Erfahrungen auf den Testfahrten gehen wir davon aus, dass in mittleren Lastbereichen eine reale E-Reichweite von etwa 25 Kilometern möglich ist.
Damit sollte eine Mehrheit der Nutzer ihren täglichen Weg zur Arbeit abgasfrei zurücklegen können und so auch in City-Bereichen fahren können, die Verbrenner nicht oder nur gegen Zahlung einer Maut zugänglich ist. In London gibt es eine solche Zine bereits. Andere Städte werden wohl auch hierzulande folgen. Vollendet wird das Konzept allerdings erst, wenn die elektrische Energie, die beim Fahren verbraucht wird, aus regenerativen Quellen produziert wird. Atemluftbelastend wirken sich dann noch der Reifen- und Bremsenabrieb aus während der Fahrt aus.
Günstige Verbrauchswerte in Abhängigkeit vom E-Anteil
Weitere System-Daten: Der im XC90 Twin Engine eingesetzte Benzinmotor ist eine modifizierte Version des Vierzylinder-Motors mit 2,0 Litern Hubraum sowie Kompressor- und Turboaufladung. Dieser Verbrenner stellt eine maximale Leistung von 235 kW (320 PS) und ein Drehmoment von 400 Newtonmeter zur Verfügung. Während der Benzinmotor seine Kraft ausschließlich an die Vorderräder leitet, sitzt als zweiter Bestandteil des Hybridantriebs ein 65 kW (87 PS) starker Elektromotor an der Hinterachse und treibt die Hinterräder an. Dieses Aggregat liefert direkt ab der Leerlaufdrehzahl ein maximales Drehmoment von 240 Nm. Je nach Fahrmodus und Ladezustand der Batterie treibt der Elektromotor das Fahrzeug allein an, unterstützt bei höheren Leistungsanforderungen den Verbrennungsmotor oder ermöglicht einen Allradantrieb mit je einer Antriebsquelle pro Achse. Zudem lädt er die Batterie mit der beim Bremsen zurück gewonnenen Energie auf und wirkt gleichsam wie eine Motorbremse. Die Energie für den Elektromotor wird in einer 9,2 kWh starken Hochvolt-Batterie (270 – 400 V) gespeichert, die zentral im Mitteltunnel platziert wurde. Dieser Akku wird über den im Hybridantriebsstrang integrierten Generator mit elektrischer Energie versorgt, lässt sich aber auch und vor allem über ein Ladekabel an haushaltsüblichen Steckdosen und an Ladesäulen aufladen.Die Ladezeiten betragen zwischen 2,5 Stunden (16 Ampere) und sechs Stunden (sechs Ampere). Eine weitere zentrale Komponente des Antriebsstrangs ist der integrierte Kurbelwellen-Startergenerator (CISG): ein dauerhaft magnetisierter Wechselstrom-Synchronmotor zwischen Motor und Getriebe, der als Anlasser, leistungsstarker elektrischer Generator für die Produktion der Elektrizität sowie als elektrischer Booster (wenn maximale Leistung abgefordert wird) für den Benzinmotor fungiert. Die Achtgang-Automatik wurde speziell auf die Anforderungen des Hybridantriebs ausgelegt. Volvo betont, dass der Einbau der zusätzlichen Hybridkomponenten ohne Einschränkungen des Platzangebotes umgesetzt werden konnte.
Lokal abgasfrei fahren
Dem Fahrer stehen speziell auf den Hybridantrieb abgestimmte Fahrmodi zur Verfügung, die über das „Drive Mode“ Drehrad auf der Mittelkonsole aktiviert werden können. Beim Start des Fahrzeugs ist stets die Grundeinstellung „Hybrid“ aktiviert. Hier wechselt das Fahrzeug in Abhängigkeit von der aktuellen Fahrsituation und den jeweiligen Leistungsanforderungen zwischen dem 2,0-Liter-Vierzylinder-Motor und dem Elektromotor. Ziel ist hier ein möglichst geringer Kraftstoffverbrauch. Ist genügend Batteriekapazität für einen elektrischen Betrieb des Fahrzeugs vorhanden, dann soll der Elektromotor den Antrieb übernehmen. Bei niedrigem Ladestand des Akkus wird der Verbrennungsmotor gestartet. Im Modus „Pure“ dient die Hochvolt-Batterie vorzugsweise als alleinige Energiequelle und treibt den Elektromotor an der Hinterachse an.
Mit optimierten Pedaleigenschaften und Schaltpunkten wird ein sanfter Fahrstil unterstützt, um eine möglichst große Reichweite im Elektrobetrieb zu erzielen. Auch die gegenüber dem Normalbetrieb um zehn Millimeter reduzierte Bodenfreiheit sowie Änderungen an den Klimaeinstellungen tragen zur Erhöhung der Reichweite bei. Die Höchstgeschwindigkeit im elektrischen Betrieb liegt bei 125 Stundenkilometern. Bei höherem Leistungsbedarf lässt sich der Verbrennungsmotor per Druck auf das Gaspedal jederzeit hinzuschalten. Das volle Leistungsvermögen des XC90 Twin Engine kann der Fahrer mit der Auswahl des Modus „Power“ abrufen.
Hier arbeiten Verbrennungs- und Elektromotor zusammen, um ein Maximum an Leistung bereitzustellen. Das Gaspedal spricht nun schneller an, das Getriebe schaltet spätere hoch und niedrigerer Gänge werden bevorzugt. Im Drive-Modus „Save“ kann die in der Batterie gespeicherte Energie aufgespart werden, um sie später für eine rein elektrische Fahrt im Pure-Modus abzurufen. Der Elektroantrieb an der Hinterachse wird in „Save“ nicht für den Antrieb des Fahrzeugs verwendet, sondern für das Laden der Batterie beim Bremsen. In diesem Modus soll die Batterie immer so weit geladen bleiben, dass noch mindestens 20 Kilometer rein elektrisch zurück gelegt werden können. So kann am Ende einer längeren Autobahnfahrt eine innerstädtische Umweltzone emissionsfrei befahren werden. In der digitalen Instrumentenanzeige zeigt ein Vorhängeschloss den gewählten „Save“-Modus an und symbolisiert damit, dass eine ausreichende Batteriekapazität für rund 20 Kilometer vorhanden ist.
Erweitere Serienausstattung
Der Volvo XC90 wird in der T8 Twin Engine Motorisierung in einer erweiterten Serienausstattung ausgeliefert. Auf Basis der Ausstattungslinie „Momentum“ verfügt das Plug-in-Hybrid-Modell unter anderem über 19-Zoll-Leichtmetallräder, eine Vierzonen-Klimaautomatik,ein großes Panorama-Glas-Schiebedach, eine Standheizung, sowie einen Schalthebel aus schwedischem Kristallglas. Zudem wird der Volvo XC90 T8 Twin Engine serienmäßig als Siebensitzer mit separater Klimatisierung für die dritte Sitzreihe angeboten. Sein Basispreis hat Volvo bei 76.160 Euro festgelegt. In unserem Testwagen waren weitere Ausstattungsoptionen verbaut, was seinen Gesamtpreis auf 100.650 Euro erhöhte.Fazit
Das Design des neuen Volvo XC90 gefällt mir ausgesprochen gut. Das gilt für seine Hülle und auch für das Interieur mit seinen klaren Linien und den ansprechenden Materialien. Als Plug-in-Hybrid erreicht er mit dem Benzin-Verbrenner Verbrauchswerte, die ihn mit einem Dieselantrieb vergleichbar machen. Man muss folglich keinen Diesel mehr kaufen, um diesen mächtigen SUV mit einem akzeptablen Verbrauch bewegen zu können. Der entscheidende Vorteil des Plug-in-Systems ist für mich jedoch die Möglichkeit, auf kurzen Strecken zumindest lokal komplett abgasfrei unterwegs sein zu können. Allerdings langt Volvo beim Preis ordentlich hin. Andere Hersteller verlangen inzwischen für ihre Plug-in-Antriebe kaum noch mehr als für vergleichbar starke Verbrenner-Antriebe.
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Dr. Friedbert Weizenecker
Dr. Friedbert Weizenecker - Seit mehr als 15 Jahren schreibe ich Auto-Themen für mehrere Zeitungen. Vor meiner Zeit als Auto-Journalist habe ich wirtschaftswissenschaftliche Features für ein Wirtschaftsmagazin und für Zeitungen verfasst. Als Volkswirt, Betriebswirt und Soziologe versuche ich auch ökonomische und gesellschaftliche Aspekte einfließen zu lassen. Autos sind meine Leidenschaft.
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Dieses Auto ist viel zu teuer! Und da meine ich nicht den Kaufpreis (ab ca. 77.000 Euro in Ö). Die Angaben von Volvo bzgl. rein elektrischer Reichweite differieren zwischen 40 und 50 km, was bei dieser Batteriekapazität einen Verbrauch von über 20kWh/100km ergibt. Sollte sich am Prüfstand wirklich so ein Verbrauch ergeben haben, bezweifle ich den Normverbrauch von 2,1l/100km. Laut ihren Testangaben war es auch ein vielfaches mehr. Hier hat anscheinend Volvo eine Möglichkeit gefunden, das Normverbrauchs-Testverfahren Verbrauchsoptimal, also äußerst Realitätsfremd, zu bewältigen.
Ihrem Bericht zufolge gibt es anscheinend keine Anzeige für den aktuellen und durchschnittlichen Stromverbrauch, also kann man nie sagen ob wann was wie eingespeist wird, d.h. ob der Motor zum Laden der Batterie verwendet wird und wieviel kinetische Energie wirklich rekuperiert wird.
Alles in allem ist dieses Auto nicht kaufbar, da es im Erhalt teurer ist, als vergleichbare Modelle ohne Hybrid-Antrieb. Wie sieht es überhaupt mit Wartungskosten aus?
Besten Dank für den Kommentar. Ich werde mit Volvo Kontakt aufnehmen, um das Thema zu diskutieren und hier eine möglichst umfassende und sachlich richtige Antwort geben zu können.
Hier nun meine recherchierte Antwort:
Zunächst ganz allgemein zu zum besseren Verständnis für alle nicht kundigen (zu denen „drx-ander“ bestimmt nicht gehört: Der NEFZ Verbrauch bei Plug-in-Hybriden wird gemäß des NEFZ (Norm) durch eine Formel ermittelt. Siehe Link dazu: https://de.wikipedia.org/wiki/Fahrzyklus
Je größer die maximale elektrische Reichweite ist, desto positiver wirkt sich das durch die Formel auf den Gesamtverbrauch aus. In der Realität sieht dies natürlich anders aus. Da wird der Verbrauch, neben der Aktivität des Gasfußes, auch durch die äußeren Einflüsse wie beispielweise Temperatur, Topografie oder Wetter beeinflusst. So verringert Regen die elektrische Reichweite um bis zu 10 Prozent, weil die „Bugwelle“ vor den Reifen den Rollwiderstand beträchtlich erhöhen. Aber auch die Geschwindigkeit und die Reifenbreite spielen hier in Kombination der Einflüsse eine Rolle.
Wenn es aber gelingt, den XC90 Plug-in-Hybrid über rein elektrisch zu bewegen, weil man kurze Entfernungen überwiegend in der Stadt fährt, und man dazwischen immer wieder die Möglichkeit hat, die Akkus zu laden, dann ergibt sich tatsächlich ein Benzin Verbrauch von Null.
Bei Vollgas auf der Autobahn liegt der Verbrauch natürlich deutlich höher. Auf meinen Testfahrten hat sich ein Verbrauch von 7,5 Liter je 100 Kilometer ergeben, andere Auto-Journalisten haben noch weniger verbraucht. 7,5 Liter sind, wie ich denke, ein guter wert Wert für ein 2,3 Tonnen wiegendes SUV.
Der Stromverbrauch des XC90 Twin Engine liegt nach Angaben von Volvo bei 18,2 kWh/100 km. Und weiter: Die Aussage, es gebe keine Anzeige über die Energieflüsse trifft so nicht zu. Je nach gewähltem Modus sieht man im Tachobereich, ob man rein elektrisch oder mit Benzin fährt sowie den Grad der Rekuperation beim Bremsen. Richtig ist allerdings, dass hier keine Werte hinterlegt sind. Im HMI-System gibt es aber auch noch eine entsprechende Anzeige über die Energieflüsse, allerdings auch hier ohne Werte.
Ob der XC90 „zu teuer“ ist, lässt sich allgemein kaum beurteilen, denn hinter der Preisbeurteilung verbergen sich letztlich individuelle Bewertungen. Und auch die Entwicklung der Restwerte spielt in diese Betrachtung ja hinein. Wenn man oft rein elektrisch fährt, sollte man unter den Kosten für reine Verbrenner liegen. Dazu kommt die Möglichkeit, rein elektrisch fahren zu können und die Vorteile, die einem daraus entstehen. Dank E-Kennzeichen darf der XC90 Plug-in-Hybrid beispielsweise in Stuttgart auf allen öffentlich zugänglichen Parkplätzen kostenfrei parken. Ein nicht unerheblicher Kostenvorteil für einen Kunden aus diesem Raum.
Guten Tag
Ich fände es toll, wenn der T8 etwas mehr rekuperiert, so a la Tesla. Gibt es irgendwo in den Menues die Möglichkeit, den Grad der Rekuperation individuell zu bestimmen oder ist er einfach so wie von Werk festgesetzt (und recht gering wie man liest).
Danke und Gruss!
Peter