Kommen sich Autoproduzenten und Autoversicherer in die Quere?
Für Bernhard Mattes, dem einstigen Chef von Ford in Köln und ab dem 1. März neuer Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), steht längst fest: „Die Unternehmen der Automobilindustrie befinden sich im Wandel vom klassischen Autokonzern hin zum Automobilhersteller und gleichzeitigem Mobilitätsdienstleister.“ Ähnliches weiß Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche zu berichten: „Die digitale Transformation ist bei uns in vollem Gange. Mercedes-Benz wandelt sich vom Automobilhersteller zum vernetzten Mobilitätsanbieter. Damit entwickeln wir unser Unternehmen konsequent weiter und sichern unsere Zukunftsfähigkeit ab.“
Jetzt stößt Jörg Rheinländer, Vorstandsmitglied der HUK-Coburg-Versicherungsgruppe, ins gleiche Horn: „Die Branchengrenzen verschwimmen. Unsere Arbeit dreht sich inzwischen eben nicht mehr allein um die Versicherung. Auch wir werden zu jedem Bereich in der privaten Pkw-Nutzung ein Angebot machen und damit einen klar ersichtlichen Mehrwert bieten. Es geht uns darum, ein gesamtes Ökosystem Mobilität anzubieten.“
Mathematiker würden den Bereich, den Auto- ebenso wie Assekuranz-Branche ins Auge gefasst haben, als Schnittmenge bezeichnen. Und um diese Schnittmenge wird mit Haken und Ösen gekämpft. Wer die Nase vorn hat, spannt einen direkten Draht zum Kunden und kann diesen für eine ganze Reihe anderer Aktivitäten nutzen. Die spannende Frage lautet: Wer hat in der Zukunft den geeigneten Kundenzugang, um sich auch abseits seines Stammgeschäfts eine Goldgrube zu sichern?
Wenn es darum geht, sich auf neuen Geschäftsfeldern breit zu machen, nutzen die Autobauer ihr Neuwagengeschäft dazu, eine tragfähige Basis für Einkommen aus anderen Bereichen aufzubauen. Bei BMW heißt zum Beispiel der Carsharing-Dienst Drive Now, bei Daimler Car2Go. Als nächster Schritt bietet sich das hoch- und vollautomatisierte Fahren an – zum Beispiel Robo-Taxis. Daran tüftelt Daimler gemeinsam mit Bosch. „Bereits in den kommenden Monaten werden erste Testfahrzeuge auf den Straßen zu sehen sein“, versichert Bosch-Chef Volkmar Denner. Anfang des kommenden Jahrzehnts soll der reguläre Betrieb starten. Bei Volkswagen heißt das „Strategie 2025“. VW-Chef Matthias Müller meint: „Perspektivisch gesehen könnten wir auch eigene, selbstfahrende Shuttleflotten betreiben, wenn das autonome Fahren in der Stadt in Serie geht.“
Full-Service-Leasing, alternative Mietmodelle und nicht zuletzt Finanzdienstleistungen sind dagegen längst erprobte Geldquellen für die Autobauer und Versicherer im Gehege des jeweils anderen wildern. Das Goslar Institut, Studiengesellschaft für verbrauchergerechtes Versichern, zitierte jetzt ein Interview, das HUK-Coburg-Vorstandsmitglied Jörg Rheinländer dem Bulletin de l’Assurance gab. Darin sagt Rheinländer, dessen Unternehmen über ein Netz von Partnerwerkstätten verfügt: „Im Laufe des Autolebens kommen Wartung, Inspektion, Reifen und so weiter auf den Autobesitzer zu. Hier können wir dem Kunden eine Menge Angebote bieten. Er vertraut der Marke HUK-Coburg bereits bei der Versicherung, da wird er ihr vermutlich auch in anderen Bereichen Vertrauen schenken.“
Das ist aber noch längst nicht alles. „Wir bieten zum Beispiel in Kooperation mit der Postbank Autokredite an, früher ein klassisches Geschäft der Banken und Hersteller. Das sind für uns spannende Entwicklungen. Wir testen sogar den Verkauf von Gebrauchtwagen. In Düsseldorf haben wir ein Autohaus eröffnet, das innerhalb eines guten Jahres bereits 1000 Transaktionen verbuchen konnte. Das ist ein toller Erfolg“, sagt Rheinländer.
Schon heute ist die HUK-Coburg laut Rheinländer einer der größten Einkäufer von Ersatzteilen bei den meisten Autoherstellern in Deutschland und verfügt über ein Netz von 1500 Vertragswerkstätten. Für die kündigt der gebürtige Schwabe an: „Wir beginnen jetzt, mit den ersten Werkstätten immer neue Leistungen zu entwickeln. Zum Beispiel Reifen: Aufgrund unserer Einkaufsmacht bekommen wir die günstiger. Unseren Versicherungskunden wiederum bieten wir deshalb gute Preise in den Werkstätten an. Das können wir, weil wir den direkten Kundenkontakt besitzen – anders als die Autohersteller.“
Den direktesten Kontakt insbesondere mit ihren jungen Kunden hat die Versicherung über ihren Telematik-Tarif. Dafür wird eine Box ins Auto eingebaut, die fortlaufend online sowie per App die Fahrweise registriert und diese Daten ans Unternehmen sendet. Abhängig vom Fahrverhalten gibt es als Gegenleistung am Jahresende einen Bonus von bis zu 30 Prozent der gezahlten Prämie.
Der Kampf zwischen Autobauern und Versicherern um diese und ähnliche Daten tobt bereits seit geraumer Zeit. Beispiel: Die Mercedes-Benz-Bank kündigte auf der IAA in Frankfurt im vergangenen Jahr zusammen mit der HDI-Versicherung einen ähnlichen Kfz-Versicherungstarif an, den der Kunde über sein Fahrverhalten beeinflussen kann. Die Stuttgarter tauften das Angebot auf den Namen „Inscore“ und sprechen von einer vollintegrierten Telematik-Autoversicherung. Doch damit nicht genug. Die Mercedes-Benz Versicherung AG weitet ihr Angebot aus und will die Mobilitätsangebote Mercedes-Benz Mobilo und Smart Road Assistance integrieren. Beide Dienstleistungen unterstützen Kunden im Notfall. Die Leistungen greifen sowohl bei Unfällen als auch bei Teilediebstahl und Missgeschicken wie Falschbetankung oder verlorenen Schlüsseln.
Das Gerangel um die Kundschaft in den traditionellen Segmenten des jeweils anderen nimmt zu. Den Kunden kann das eigentlich nur recht sein. ampnet
Fotos: Axa Versicherung/Daimler/Ford/Goslar Institut
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