Brompton Electric – E-Faltrad mit Verbesserungspotenzial


Brompton baute bisher klassische Klapp-Bikes. Nun hat sich der Londoner Hersteller daran gewagt, dem Faltrad einen E-Antrieb zu verpassen. Damit dürften die Briten im Trend liegen. Wir waren daher gespannt zu erfahren, was das Brompton Electric, für das man runde 3.000 Euro investieren muss, so drauf hat.

Der erste Kontakt wird zur ersten Herausforderung. Denn wir versuchen das zusammenklappbare e-Bike ohne jegliche Anleitung auf die Räder zu stellen und fahrbereit zu machen. Dabei fällt auf, dass das Brompton nicht leicht ist. In seiner 2-Gang-Variante wiegt es 13,7 Kilo plus etwa 3 Kilo für den Akku im Essential Bag.

Brompton Electric - E-Faltrad mit Verbesserungspotenzial, Dr Friedbert Weizenecker

Unser Testbike war versehen mit der 6-Gang-Schaltung. So kommt man auf runde 18 Kilogramm. Dieses Gewicht will beim Tragen auf einen gesunden Rücken treffen. Wer hier Probleme hat, sollte keinen Gedanken an dieses e-Klapp-Bike verschwenden. Auch beim Auseinanderklappen macht sich das Gewicht bemerkbar. Trotzdem gelingt uns der Aufbau nach wenigen Minuten. Das Brompton Electric sieht gewöhnungsbedürftig aus. Ein großer Erwachsener sieht auf dem Klapp-Bike aus, als wäre er seinem Kinderrad entwachsen. Unser Nachbar lacht sich krumm und fragt, ob die Tasche am Lenker ein Sauerstoffgerät sei. Witzbold! Tatsächlich sieht der Akku in der leicht abnehmbare Akku in seiner Tasche „strange“ aus.

Brompton Electric - E-Faltrad mit Verbesserungspotenzial

Es braucht ein gesundes Selbstbewusstsein, mit diesem Teil vorzufahren, denn es erzeugt immer wieder fragendes Unverständnis. Mit meinem 1,86 Meter musste ich die Sattelstütze maximal ausfahren, um ergonomisch vertretbar zu sitzen und treten zu können. Aber es soll 3 Varianten der Sattel-Stütze geben. Brompton Electric - E-Faltrad mit Verbesserungspotenzial
Ein etwas längerer Druck auf das Folien-Display auf dem Akku-Pack aktiviert das System. 5 blaue LEDs leuchten bei voller Beladung. 3 LEDs in gleicher Farbe zeigen den gewählten Unterstützungsgrad. Eine erste vorsichtige Runde lässt das Zutrauen ins das Gefährt wachsen. Die Schaltung tut sich schwer, meinen Befehlen zu folgen, so richtig will das nicht funktionieren. Es bedarf meistens mehreren Versuchen, den gewünschten Gang einzulegen. Das ist insbesondere am Berg schlecht, weil man an Steigungen stehen bleibt, nachdem der Tret-Widerstand zu hoch geworden ist. Die Tret-Unterstützung aktiviert sich bisweilen etwas unkoordiniert. Mal etwas zu schwach, mal überraschend stark. Das können andere e-Bikes besser. An Steigungen wünscht man sich immer wieder mehr Power. Apropos Steigungen. Schwierig wird der Vortrieb auf den kleinen (16 Zoll) und schmalen (37 mm) Rädern wenn der Untergrund nicht befestigt ist oder die Steigung zu groß wird. Denn sobald das Vorderrad durchdreht, schaltet sich das Antriebssystem für einige Sekunden aus und man kommt ungewollt zum Stillstand. Aber dieses E-Faltrad ist natürlich mehr für die flache City gedacht, als für die bergige Vorstadt. 


Zwar lässt sich der 3-Kilo-Akku (300 Wh) in seiner Tasche leicht von seiner Halterung über dem Vorderrad abnehmen, ihn mitzunehmen, ist jedoch kein leichtes Vergnügen. Lässt man ihn am Rad und selbiges allein zurück, sollte man beides mit einem guten Schloss sichern. Der Vorteil des Klapp-bikes mit dem abnehmbaren Akkus ist klar. Man kann das Bike mit in die Wohnung oder ins Büro nehmen und den Akku getrennt davon laden. Leider funktionierte das Laden unseres Testbikes nicht zuverlässig. Wir haben den Ladevorgang immer wieder initiiert, die LEDs leuchteten, aber irgendwann brach der Ladevorgang offensichtlich ab. Nach Stunden oder am anderen Tag war der Ladestand nicht höher als vor dem Laden. Warum es andererseits manchmal funktionierte, war für uns nicht ersichtlich.

Dumm, wenn man sich auf ein volles Akku verlassen hat und am Morgen ohne Unterstützung in die Pedale des nicht ganz leichten e-Bikes treten muss. Zum Glück ist der Tret-Widerstand nicht allzu groß, so dass man notfalls auch ohne E-Unterstützung ans Ziel kommen kann. Eine Dusche und frische Klamotten wären dann aber wohl von Nöten.

Brompton Electric - E-Faltrad mit VerbesserungspotenzialNicht gut gelöst ist der kleine runde Stecker des Standard-Ladeteils, den man in die Dose am Akku stecken muss. Am Stecker ist nämlich kaum erkennbar, wie er in die Dose geführt werden muss. Immer wieder in nerviges Gefummel, auch nach etlichen Versuchen hatten wir das nicht easy drauf. Die Reichweite des e-Klapp-Bikes ist stark abhängig von der abgeforderten Leistung. 30 bis 70 Kilometer sollen möglich sein. Wir haben nicht mehr als 40 Kilometer geschafft. Nach 4 – 5 Stunden ist der Akku über das mitgelieferte Ladeteil wieder zu 100 Prozent gefüllt. Das Fahren mit dem „Klapp-Spaten“ ist ok, erfordert aber die volle Aufmerksamkeit. Denn die kleinen Räder laufen immer Gefahr, an Hindernissen – seien sie noch so flach – abzurutschen. Hier sehen wir die Unfallgefahr größer, als bei normal großen Rädern. 

Der Vortrieb des E-Motors (250 Watt) reicht aus, um in der Ebene deutlich leichter vorwärts zu kommen, als ohne E-Antrieb. Herausforderungen darüber hinaus – wie wir sie zudem getestet haben – sollte man sich und dem Brompton nicht zumuten. Auch das Bremsen (Dual Pivot) kommt ob der kleinen Räder und dem hoch aufbauenden Lenker bald an die Grenzen der Physik. Hier gilt es wohl temperiert zu bremsen und vorausschauend zu fahren, um Unheil zu vermeiden. Für Nachtfahrten oder um besser gesehen zu werden ist ein LED-Scheinwerfer angebracht

Fazit:

Ein E-Faltrad ist eine gute Idee, um etwa von einem Park- and Ride Parkplatz in die City und zurück zu fahren, ohne dabei zu sehr ins Schwitzen kommen zu müssen. Auch nach einer Bahnfahrt könnte man mit dem Brompton gut ans Ziel auf der letzten Meile kommen. Aber das Gewicht des Brompton Electric sollte man nicht unterschätzen, zumindest wenn man es tragen möchte oder muss. Etliche Details – wie oben beschrieben – könnte man mit etwas Entwicklungsaufwand und hochwertigeren Bauteilen in unseren Augen besser ausführen. Die Qualitätsanmutung bleibt durchschnittlich. Zumal das Brompton mit seinen rund 3.000 Euro Kaufpreis nun wirklich kein Schnäppchen ist. Wer erwägt es zu kaufen, dem empfehlen wir vor dem endgültigen Kauf eine Probefahrt. Aber das ist beim Kauf eines e-Bikes ohnehin und grundsätzlich sinnvoll.

der-Autotester

Technische Daten:

Brompton Electric

Lenkertyp: Typ M (1015 mm) oder Typ H (1072 mm)
Ausrüstung: Typ L (mit Schutzblechen) Farben: Hochglanz Schwarz, Hochglanz Weiß, oder Bolt Lacquer Gänge: 6 Gang
Sattelstütze: Standard, verlängert oder teleskopisch Fahrradgewicht: 6 Gänge: ab 14,5 kg (17,4 kg mit Akku) Akkugewicht mit Essential Bag: 2,9 kg Beleuchtung: Vorne: 40 Lux Busch & Müller AVY Hinten: Spanninga solo XE max. Gewicht: 110 kg (inkl. Gepäck & Akku) Bremsen: Dual Pivo

AKKU Spannung: 36V Kapazität: 300 Wh Reichweite: 30km bis 70km USB-Anschluss: 5 V 1,5 A (zum Laden von Mobilgeräten) Bedieneinheit: LED-Display Gewicht: 2,2 kg

Ladegerät: Standard Ladegerät (im Lieferumfang enthalten): 2A Ladegerät (3 bis 4 Stunden bis 100%) Schnellladegerät (optional): 4A Ladegerät (2 bis 3 Stunden bis 100%)

Unterstützung: Unterstützungsstufen: 4 (0-1-2-3) Sensoren: im Tretlager integrierter Drehmoment- und Trittfrequenzsensor

MOTOR Typ: BLDC-Vorderradmotor Nennleistung: 250W Abschaltgeschindigkeit: 25 km/h Freilauf: Geringer Widerstand beim Fahren ohne Unterstützung

Preis: runde 3000 Euro

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Dr. Friedbert Weizenecker
Dr. Friedbert Weizenecker

Dr. Friedbert Weizenecker - Seit mehr als 15 Jahren schreibe ich Auto-Themen für mehrere Zeitungen. Vor meiner Zeit als Auto-Journalist habe ich wirtschaftswissenschaftliche Features für ein Wirtschaftsmagazin und für Zeitungen verfasst. Als Volkswirt, Betriebswirt und Soziologe versuche ich auch ökonomische und gesellschaftliche Aspekte einfließen zu lassen. Autos sind meine Leidenschaft.

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