Schnelles Schlangengift und Hot Wheels in Las Vegas
In den USA herrscht, nicht erst seit Donald Trump, eine eigene automobile Zeitrechnung. Amerikanische Automobile wurden schon immer nach dem Motto „Darf’s ein bisschen mehr sein?“ entwickelt. Inzwischen hat zwar die Diskussion um den Klimawandel und Treibhausgase zu einem Umdenken geführt, doch zeigt die jährliche Tuningshow SEMA in Las Vegas, dass der Leistungsgedanke noch immer viele Fans hat.
Star des diesjährigen Gipfeltreffens der amerikanischen Tuningszene war der Venom (Schlangengift) F5 des texanischen Spezialisten für leistungsfördernde Eingriffe Hennessey. Der Hypersportwagen wurde einzig und allein entwickelt, um als schnellstes Serienfahrzeug der Welt in die Rekordbücher zu fahren. „Wir haben für den Venom F5 ein zeitloses Design entworfen, sodass er auch noch in 25 Jahren unangefochten seine Runden drehen kann. Der F5 ist ein vollkommen neu entwickeltes Modell vom Fahrwerk bis zum Antrieb“, erklärte Firmengründer John Hennessey bei der Präsentation in Las Vegas.
Angetrieben wird der Venom F5 von einem V8-Motor mit Twin-Turbo, der, so John Hennessey, 1600 PS leistet und den Zweisitzer auf mehr als 480 km/h beschleunigen soll. Übertragen wird die Kraft über ein Sieben-Gang-Getriebe. Zwischen null und 300 km/h vergehen nach Werksangaben keine zehn Sekunden – weniger als bei einem Formel-1-Boliden.
Der aktuelle Rekordhalter ist noch immer seit dem Jahr 2010 der Bugatti Veyron Super Sports mit 431 km/h. Zwar erreichte ein Hennessey Venom GT 2014 auf der NASA-Landepiste in Florida 435 km/h, doch weil die NASA eine zweite von Guinness verlangte Bestätigungsfahrt verbot, steht noch immer der Bugatti in den Rekordbüchern.
Vom F5 Venom werden lediglich 24 Exemplare entstehen. Der Basispreis für den Giftpfeil liegt bei 1,6 Millionen Dollar (ca. 1,38 Millionen Euro). Für den ambitionierten Farmer bietet Hennessey zum Discountpreis von gerade 295 000 Dollar (knapp 255 Mio. Euro) den Veloci-Raptor, der auf dem Ford-Pick-up F150 aufbaut und neben einem Sechsradantrieb dank Doppelturbo-Motor auch noch mindestens 600 PS bietet. Das sollte eigentlich für die zügige Fahrt über die Felder reichen, zumal auch Fahrwerk und Bremsen dem Leistungszuwachs angepasst wurden. Besitzer eines mit 450 PS vergleichsweise hoffnungslos untermotorisierten Serien-F150-Raptor können sich die zusätzlichen PS gegen umgerechnet rund 19 400 Euro unter die Haube transplantieren lassen. „Unser Veloci-Raptor“, so John Hennessey in Las Vegas, „ist die pure Aggression auf Rädern. Und das gilt für jedes der sechs. Der neue Raptor wird einer der besten jemals gebauten Allround-Trucks sein.“
Neben den Exoten aus der texanischen Manufaktur gehörte in Las Vegas aber auch biederen Modellen nach entsprechendem Make-up der große Auftritt. Kia nutzte die SEMA, um den neuen Stinger noch etwas ausgefallener zu präsentieren und verpasste der Sportlimousine zahlreiche Anbauteile, um sich im kaum noch überschaubaren Markt der kosmetischen Tuner bemerkbar zu machen. Dazu gehören unter anderem ein neuer Heckspoiler samt Diffuser sowie neue Belüftungsgitter in der Motorhaube. Unter der Haube zaubert eine Borla-Abgasanlage zusätzliche 15 PS aus dem 3,3-Liter-Sechszylinder, so dass 380 PS bereit stehen und den Sprint von null und 100 km/h auf knappe fünf Sekunden verringern.
Bei Toyota stand unter anderem ein überarbeiteter Camry im Mittelpunkt. Die Limousine bekam für den Messeauftritt neue in Dreidimensional-Druck aufgebaute Seitenteile und Motorhaube. Dem Innenraum spendierten die kreativen Tuner ein im Baseball-Look gehaltene Lederausstattung. Magna Flow lieferte die Auspuffanlage, die bei Vollgas einen unüberhörbar lauten Sound liefert und im Leerlauf kaum zu hören ist.
Wie sich Kindheitserinnerungen und Muscle-Cars miteinander verbinden lassen, zeigte Chevrolet auf seinem Stand, wo das Unternehmen die 50-jährige Partnerschaft mit Hot Wheels feierte. „In der Chevrolet Performance Designabteilung arbeiten viele Designer, die sich von Hot Wheels beeinflussen ließen. Unsere Camaro Hot Wheels 50th Anniversary Edition zeigt, wie sich diese kindliche Fantasie und Begeisterung in die Wirklichkeit überträgt“, erklärte Tom Peters, Leiter Exterior Design bei Chevrolet Performance Cars die ungewöhnliche Verbindung zwischen Spielzeug und Sportwagen. Anfang kommenden Jahres geht das Design-Kit für 4995 Dollar in den Verkauf.
Eine buntere und schrillere Messe als die SEMA ist kaum vorstellbar. In Las Vegas ist (fast) alles erlaubt, was dem leistungshungrigen und vermutlich auch mehr oder weniger exhibitionistisch veranlagten Publikum gefällt. Schließlich sind die Kunden nicht an die strengen gesetzlichen Vorschriften gebunden, die bei den Herstellern die Kreativität deutlich einschränken. Einmal auf der Straße darf an den Autos nach Herzenslust geschraubt werden. Der durchschnittliche deutsche TÜV-Prüfingenieur sollte sich daher gar nicht erst nach Las Vegas wagen. Die Tuningwut macht auch vor Oldtimern nicht halt. Sie werden bis zur Unkenntlichkeit aufgemotzt – der amerikanische Tuningfreund ist begeistert.
Neben dem immer mehr und schneller gab es in Las Vegas dieses Jahr aber auch eine zarte Gegenbewegung. Bei Hyundai stand ein Ioniq Hybrid, der nach einer technischen und optischen Überarbeitung als „HyperEconiq“ 20 Prozent weniger Benzin verbrauchte als das Serienmodell. ampnet
Fotos: SEMA und Hennessey
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