Transporter im Höhenflug
Der deutsche Transportermarkt boomt weiter. Die Zulassungszahlen leichter Nutzfahrzeuge legten im September um 20,8 Prozent auf 35.592 Einheiten zu, wie der Branchenbegleiter Dataforce berichtet. Das Jahr 2016 ist ein Transporterjahr mit zahlreichen neuen und nachgebesserten Modellen. Wir haben uns auf dem Markt der leichten Nutzfahrzeuge umgesehen.
Es gibt ja kaum Geschäftsbereiche, die ohne Transporter auskommen. Ein Wachstumsmarkt, auf dem sich viele Anbieter tummeln, ist natürlich die e-Commerce-Logistik, für die kleinteilige Auslieferung auf der letzten Meile braucht es flinke Transporter. Die Konjunktur meint es auch gut mit dem Bauhandwerk, dort wird mit der Zunahme an Aufträgen bei manchem Betrieb die Transportkapazität knapp.
Das Angebot der Fahrzeugindustrie ist so umfangreich wie noch nie, zahlreiche neue Modelle und Nachbesserungen bieten jetzt mehr Fahrzeug fürs Geld. Der Fortschritt ist dem Stichtag für die verschärften Abgasgrenzwerte geschuldet, seit September 2016 ist die Euro 6-Norm für leichte Nutzfahrzeuge verbindlich. Weil heute viel von Elektrofahrzeugen die Rede ist: Die Hersteller Iveco, Citroen und Peugeot, Renault und Nissan schmücken sich bereits mit serienreifen elektrischen Antrieben – aber meist noch zu prohibitiven Konditionen, und im Praxiseinsatz noch wenig kompatibel. Aufmerksamkeit verdient sich der Streetscooter, der schlichte Elektro-Lieferwagen der Deutschen Post. Das Tochterunternehmen hat bereits mehr als 1.000 Fahrzeuge auf der Straße und täglich werden es mehr. Jetzt wird diskutiert, ob man den Streetscooter auf dem freien Fahrzeugmarkt anbieten möchte. In Hannover konnte man ihn mit Kofferaufbau und gar mit Kipperaufbau sehen, eine größere Variante stemmt eine Tonne Nutzlast und acht Kubikmeter Ladung.
Beginnen wir bei den Eintonnern, hier rollen die Stückzahlkönige von den Bändern. In dieser Liga fährt VW mit dem neuen T6-Transporter voran. Ein neuer Nutzfahrzeug-TDI, er heißt intern EA 288 Nutz, hat den Diesel mit Schummelsoftware abgelöst. Sonst bleibt Vieles wie es war, der Rohbau, die Radstände und die Laderaummaße wurden vom Vorgänger T5 übernommen. Motorleistungen bis 204 PS werden angeboten, dafür wird der Zweiliter-Universalmotor von einem Bi-Turbolader beatmet. 102 PS reichen für den normalen Transporteralltag völlig, mit 150 PS ist der VW-Bus schon gut motorisiert. Immer noch bemerkenswert: Einfach einsteigen und losfahren, man ist mit dem VW sofort per Du. Auch sein Fahrwerk ist Spitze und ungemein sicher. Natürlich darf es ein ganzes Füllhorn an Sicherheitssystemen aus dem Volkswagen-Baukasten sein – und wer es braucht, der Allradantrieb 4Motion ab Werk.
In dieser Klasse nimmt sich das Ford-Programm etwas bescheidener aus, hier wird nur Frontantrieb geboten. Sonst aber führt die Verkaufsliteratur Varianten in zwei Längen und zwei Höhen, das Ladevolumen reicht von 5,4 bis 8,3 Kubikmeter. Der sehr erfolgreiche Ford Transit Custom hat sich zuletzt etwas feiner gemacht, sein brandneuer Ecoblue-Diesel mit SCR-Kat (2,0 Liter Hubraum) verbrennt nicht nur sauberer, er tritt auch nachdrücklicher und kultivierter an. Das Leistungsspektrum verschiebt sich leicht nach oben: Die Motorenpalette beginnt mit 105 PS und reicht über 130 PS bis zu 170 Pferdestärken. Ebenfalls neu: Ein Wandler-Automatikgetriebe mit 6 Gängen, nicht nur für den Stadtverkehr eine willkommene Alternative. Mit den neuen Aggregaten kommen auch neue Fahrerassistenzsysteme an Bord, serienmäßig hält ein Seitenwind-Assistent den Transporter auf Kurs, gerade schnellfahrende Hochdach-Varianten profitieren davon. Optional bietet Ford den sogenannten Pre-Collision-Assist an, der Auffahrunfälle verhindern soll.
Und damit ist auch klar, gegen wen sich die neuen Produkte von Peugeot, Citroen und Toyota positionieren. Sie heißen Expert, Jumpy und Proace, die in Südfrankreich produzierten Transporter kommen in verschiedenen Längen und mit einigen Finessen auf den Markt. Die fast baugleichen Fahrzeuge werden mit 3,1 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht und für bis zu 1.400 Kilogramm Nutzlast zugelassen. Ihr Ladevolumen reicht von 4,6 bis 6,6 Kubikmeter, mit 1,9 Meter Höhe sind alle Modelle tiefgaragentauglich, eine Hochdachvariante wurde zugunsten einer Kompaktvariante verworfen. Besonders hochwertig wurde das Fahrwerk konstruiert, der französisch-japanische Fronttriebler rollt auf einzelradgeführten Vorder- und Hinterachsen. Nicht ohne Grund, die Gemeinschaftstransporter erreichen mit dem 180-PS-HDI-Diesel (2,0 Liter Hubraum) mehr als 180 km/h auf der Autobahn. Fürs normale Geschäft reichen 95 PS von einem 1,6-Liter-Diesel, der laut Hersteller mit 5,1 l/100 km auskommen soll. Ein Start-Stopp-System zählt zur Standardausstattung, die Abgasreinigung übernimmt ein SCR-Kat mit Adblue-Eindüsung.
Ebenfalls aus Frankreich kommt der Renault Trafic, der sich mit seinen Derivaten für Nissan, Opel und neuerdings auch Fiat in den Produktionshitlisten weiter nach vorn schieben will. Alle besitzen ein eigenes Gesicht, aber das Grundfahrzeug bleibt identisch, ob es nun Renault Trafic, Fiat Talento, Opel Vivaro oder Nissan NV 300 heißt. Als 2,7- bis 2,9-Tonner zählen sie zu den größten Transportern ihrer Klasse, mit zwei Längen- und Höhenvarianten bieten sie bis zu 8,6 Kubikmeter Ladevolumen und bis zu 1.200 Kilogramm Nutzlast. Recht speziell fällt das Downsizing-Motorenangebot aus, das ausschließlich 1,6 Liter kleine Turbodiesel mit Leistungen von 95 bis 145 PS und nur Handschaltungen vorsieht. Start-Stopp ist Serie wie ESP und Fahrerairbag, sonst wird für Sicherheit nicht viel geboten.
Ganz anders bei Mercedes-Benz. Der Eintonner Vito, der sich mit dem Trafic die Einstiegsmotorisierung teilt, profitiert von einem breiten Konzernportfolio an Sicherheitssystemen. Maximale Nutzwerte hat er nicht zu bieten, der in Spanien produzierte Hecktriebler muss mit der Normalhöhe (1,91 Meter) und drei verfügbaren Längen auskommen. Ausgeprägt starke Seiten sind sein hochwertiges Fahrwerk, die drehmomentstarken Mercedes-Diesel samt einer Siebengang-Automatik und die Verarbeitung des Deutsch-Spaniers.
Wenig Neues gibt es von den Kleintransportern zu berichten, die heute mit Jahresneuzulassungen von rund 700.000 Einheiten in Europa das nächstgrößere Transportersegment ausmachen. In der Fahrzeugkategorie bis maximal 800 Kilogramm Nutzlast tummeln sich Fahrzeuge wie der Volkswagen Caddy, der zumindest in Deutschland die Verkaufstabelle anführt.
Der Fiat Doblo wurde aufgefrischt, er zählt mit seinen vielen Varianten und einem hochwertigen Breitspurfahrwerk zu den interessantesten Produkten seiner Klasse. Sein Ladevolumen reicht von 3,4 bis 5,0 Kubikmeter, laut Hersteller darf der Doblo Cargo bis zu einer Tonne zuladen, damit wäre Fiat schon in der nächstgrößeren Transporter-Klasse unterwegs. Das gleiche Fahrzeug bietet übrigens auch Opel an, dort heißt er Combo. Beide werden mit einem nur 1,3 Liter großen Einstiegsdiesel und bis zu 90 PS befeuert, darüber siedeln die Anbieter 1,6- und 2,0-Liter-Diesel mit 90 bis 135 PS an. Fiat bietet auch einen 120 PS starken Erdgas-Fremdzünder an – für planbare Kurzstrecken durchaus eine Alternative.
Wer einen 3,5-Tonner sucht, stößt zuerst auf den Sprinter von Mercedes-Benz, er ist auch der Namensstifter dieser Fahrzeugkategorie. Der Transporter mit Heckantrieb ist nicht der Nutzlaststärkste, auch nicht der Schnellste seiner Klasse, bis 2018 wird das so bleiben. Aber wenn es um aktive und passive Sicherheit geht, wirft er seinen Hut in den Ring.
Der einstige Zwilling und Bandnachbar Crafter geht unterdessen komplett erneuert auf Sprinter-Fang. Mit mehr Ladevolumen und mehr Nutzlast, der große VW-Transporter greift auf einen gut sortierten Modellbaukasten zurück. Der Kunde hat die Wahl: Front-, Heck- oder Allradantrieb, mit der richtigen Anhängekupplung darf er 3,5 Tonnen ziehen. Der universelle Zweiliter-TDI liefert Motorleistungen von 102 bis 177 PS, er wird optional von einer Achtgang-Automatik unterstützt. (mid)
Foto: Volkswagen Nutzfahrzeuge
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