Neuer Crafter aus neuer Autofabrik
Auch wenn er als Symbol für das Wirtschaftswunder der 50er Jahre gilt, gehört der gute alte Transporter längst nicht zum alten Eisen. Im Gegenteil. Der deutsche Transportermarkt boomt. Das belegen die Zulassungszahlen. Volkswagen hat diese Chance erkannt und in Polen eine neue Fabrik gebaut. Mit dem neuen Crafter wagt der Wolfsburger Konzern einen Schritt in die Unabhängigkeit. Bisher hatte das Unternehmen seinen Kleintransporter Crafter auf Basis des Mercedes Sprinter bei Daimler bauen lassen. Im polnischen Wrzesnia wird Volkswagen den neuen Crafter nun selbst produzieren. Rund 800 Millionen Euro hat der VW-Konzern investiert, damit künftig 3.000 Mitarbeiter hier jährlich bis zu 100.000 Fahrzeuge bauen können.
Mehr als 1.000 geladene Gäste aus Wirtschaft, Politik, unter ihnen auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Vorstände des Konzern, wohnten den offiziellen Feierlichkeiten im neuen VW-Werk bei.
„Ein neues Werk und ein neues Fahrzeug – das eine hätte es ohne das andere nicht geben können“, betonte Eckhard Scholz. Kein existierendes Werk sei in der Lage gewesen, den Sprinter mit einer Fahrzeughöhe von 2.798 mm, einer Länge von bis zu 7.391 mm und einem maximalen Gesamtgewicht von 5,5 Tonnen bauen zu können, berichtete der Markenvorstand von Volkswagen Nutzfahrzeuge von den Überlegungen. Das zukünftige Crafter-Werk ist neben dem bereits bestehenden VW-Werk in Pozan-Antoninek der zweite Produktionsstandort der Marke in Polen. Die neue Crafter-Fabrik liegt etwa 50 Kilometer östlich von Poznan in Großpolen – mitten im Grünen, genauer gesagt, – am Arsch der Welt.
Bisher arbeitet hier erst eine Schicht. Die weitläufigen Gänge in dem knapp ein Kilometer langen und 500 Meter breiten Gebäude wirken verlassen. Nur vereinzelt trifft man auf Arbeiter. Noch fährt die Produktion auf Sparflamme. Für die Werksbesichtigung der vielen Journalisten aus der ganzen Welt waren nur vier Foto-Stopps geplant.
In einer Rekordzeit von nur 23 Monaten wurde das Werk, in dem 300 Fußballfelder verschwinden würden, gebaut. Zu Spitzenzeiten arbeiteten auf dem 220 Baugelände bis zu 3.500 Menschen. 50.000 Kipplasterfahrten waren nötig, um eine Million Kubikmeter Erde zu bewegen. Unvorstellbare Mengen Baumaterialen mussten heran gekarrt werden: So 22.000 Tonnen Stahl und 50.000 Kubikmeter Beton.
„Als ich mit dem Sohn polnischer Freunde die Baustelle besichtigt habe, fragte der seine Eltern: Baut Onkel Jens hier eine neue Stadt?’“, berichtet Jens Ocksen, Vorstandschef von Volkswagen Poznan.
Der Bau der Volkswagen-Fabrik kann für die strukturschwache Region eine Initialzündung sein. Erste Ansiedlungen im Umfeld des Werks sprechen dafür. So hat bereits ein Hostel in der Nähe eröffnet. Etliche Grundstücke um das Werk werden zum Kauf angepriesen. Zahlreiche Zulieferer könnten sich problemlos hier ansiedeln. Platz en masse. Aber auch ohne die wahrscheinlichen Ansiedlungen ist das Werk bereits ein wirtschaftlicher Multiplikator für Polen. So kommen 45 Zulieferer aus dem ehemaligen Ostblock-Land, sieben sogar aus der Region.
Der Crafter, der vor 10 Jahren noch LT (LT = Lasten Transporter) hieß, wird nun anders als sein Vorgänger ohne die Unterstützung von Mercedes gebaut. „Mit der Neuentwicklung des Crafter und dem Neubau des Werks mit seiner Jahreskapazität von 100.000 Einheiten sind wir besser als je zuvor unterwegs im wachsenden Markt der großen Transporter“, erklärt Andreas Renschler, CEO Volkswagen Truck und Bus. Neben dem Crafter wird auch der baugleiche TGE der VW-Tochter MAN im neuen Werk produziert. Schon 2018 will man 100.000 Crafter und MAN TGE produzieren. Im nächsten Jahr sollen bis zu 60.000 Fahrzeuge das polnische VW-Werk verlassen.Dass VW mit dem neuen Crafter auf dem richtigen Weg sei, zeige auch die jüngste Auszeichnung, so Scholz. Denn der Crafter wurde zum „International Van oft he Year 2017“ im Rahmen der Nutzfahrzeuge-IAA in Hannover gekürt.
Zahlen:
Größe des Werkes:
220 ha (2,2 km²), entsprechend ca. 300 Fußballfeldern
Geplantes Produktionsvolumen:
100.000 Autos jährlich = 17 Fahrzeuge pro Stunde = ca. 380 Fahrzeuge pro Tag
Fahrzeuge: 69 Crafter Derivate. Ladevolumen bis zu 18,4 m3,
maximale Laderaumhöhe von 2.196 mm. Länge bis zu 7.391 mm,
Höhe bis 2.798 mm., max. Gesamtgewicht: 5,5 t.
Geplante Beschäftigung:
Rund 3.000 Mitarbeiter im Dreischichtsystem
Investitionsvolumen:
Rund 800 Millionen Euro.
Lieferanten:
45 Zulieferer aus Polen (davon 7 aus der Region) beliefern das Werk.
Auszeichnung: Der neue Crafter wurde von einer renommierten Jury
zum „International Van of the Year 2017“ gewählt.
Zahlen und Daten zum Bau des Werkes:
– Während der Bodenarbeiten wurden ca. 1.000.000 m3 Erde
mit 50.000 Fahrten per Kipplastern bewegt.
– Es wurden 22.000 Tonnen Stahl und 8.000 Tonnen Bewehrungsstahl verwendet.
– 50.000 m3 Beton wurden mit 6.000 Fahrmischer-Einheiten gegossen.
– Es wurden 4.000 Befestigungspfähle 16 Meter tief in den Boden gerammt.
– Im Werk wurden 15.000 Meter Installationsrohre verlegt.
– In der Hochlaufphase waren auf der Baustelle des Werkes in Września ca. 3.500 (Bau-)Arbeiter beschäftigt.
– Das Werk wurde in nur 23 Monaten errichtet, von der Grundsteinlegung im November 2014 bis zur Eröffnung am 24. Oktober 2016.
Kurz-Info Września
Września ist eine Stadt etwa 50 Kilometer östlich von Poznań entfernt. Die erste urkundliche Erwähnung einer Siedlung an der Stelle des heutigen Września, damals Vresc, stammt aus dem Jahr 1256.Fläche: 12,73 km2. Einwohnerzahl: rund 30.000.
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Cornelia Weizenecker
Ich bin die Frau bei Der-Autotester.de. Autos sehe ich nicht durch die rosarote Brille. Von heißen Kisten bleibe ich (meist) unbeeindruckt. „Hauptsache es fährt“, lasse ich aber auch nicht durchgehen. Ganz im Gegenteil. Ein Auto muss für mich vor allem alltagstauglich, umweltschonend und bezahlbar sein. Nur bei Cabrios und Oldtimern kann ich schwach werden. Elektroautos bringen mich zum Strahlen.
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