McLaren 570S Spider – Männertraum mit Flügeln und doch kein Engel
Gerade noch rechtzeitig zum Sommer 2017 bringt McLaren im August mit dem 570S Spider ein Cabriolet auf den Markt. Der beim Goodwood Festival of Speed im Juni präsentierte Bolide ergänzt neben dem 540C auch die beiden Modelle 570S und 570GT in der sogenannten Sport-Series. Der mindestens 208.975 Euro teure Super-Sportwagen leistet 570 PS bei nur 1.498 Kilogramm Leergewicht, und soll 328 km/h Spitze erreichen.
Ein Männertraum mit Flügeln, der aber kein Engel ist.Im inzwischen vierten Jahr hintereinander ist McLaren profitabel, entwickelt alle seine Produkt selbst. Dabei ist das Credo immer Gewichtsreduktion und konsequente Sportwagen Philosophie. Der McLaren 570S Spider ist aktuell das einzige Cabrio im McLaren Produkt-Portfolio. Der Mechanismus des zweigeteilten Hardtops ist aus dem alten 650S Spider bekannt. Es lässt sich im Stand und während der Fahrt in 15 Sekunden öffnen. Zudem kann man seine Heckscheibe – wie beim Audi R8 Spyder oder Lamborghini Huracán – versenken, um dem brachialen Sound des Motors akustisch noch näher zu sein. Ausgefahren dient die kleine Scheibe auch als Windschott. Flach wie eine Flunder, die der Zukunft entsprungen ist, steht er vor mir. Seine Optik wurde im Vergleich zum 570 Coupé leicht verschärft, und die Aerodynamik optimiert.
So wurde die Spoiler-Lippe am Heck um 12 Millimeter höher montiert, die Außenspiegel genauso modifiziert wie die hintere Seitenlinie. Neu sind beim 570S Spider die drei Farben „Curacao Blue“, „Blue Vega“ und „Sicilian Yellow“ und die Zehnspeichen-Leichtmetall-Felgen. Hat man den Knopf zum Öffnen der Flügeltüren erst mal entdeckt, ist man dem Himmel ein Stück näher. Seine Flügeltüren heben ihn ab. Während ich noch über seine Optik philosophiere, hat sich eine Schulklasse angeschlichen. Selbstredend bestens mit Smartphones versorgt. Die Fotos von der spacigen Flunder werden wohl direkt bei Snapchat oder Instagram landen.Einsteigen steht nun auf dem Plan. Für Menschen mit Rückenproblemen kann das zum Problem werden. Irgendwie sucht man nach einem Griff, um nicht ungeschickt aufs sportliche Gestühl zu plumpsen. Doch vergebens. Ich falle – unverletzt – in den Traumwagen. Das üben wir noch mal. Und siehe da, bei geöffnetem Dach und mit etwas Praxis lässt sich der Supersportwagen recht geschmeidig erklimmen. Die optionalen Schalensitze bieten festen Seitenhalt. Trotz der fixen Rücklehne sitzt es sich nicht unbequem. Wem das trotzdem zu extrem ist, der ordert die elektrisch verstellbaren Sportsitze mit der Lederhaut. Das Cockpit ist auf den Fahrer zugeschnitten. Das kleine IPad und das große Infotainmentsystem mit dem 7-Zoll Touchscreen ist bereits aus anderen McLaren Modellen bekannt. Trotz etwas verzögerter Ladezeiten und fehlender Apple CarPlay und Android Auto Anbindung erweist es sich als praktisch. Nur bei ungünstigem Sonnenstand ist es kaum ablesbar. In solchem Fall steht das digitale Cockpit zur Verfügung, das sich mit den wichtigsten Informationen speisen lässt.An Karbon wurde hier nicht gespart. Selbstredend keine Karbon-Attrappen, sondern echtes Karbon. Ich erwähnte es schon, die Gewichtsminimierung steht im Fokus. Sitze, Lenkrad, Armaturenbrett, Dachhimmel und Teile der Türverkleidung sind mit feinem Alcantara überzogen. Die Verarbeitungsqualität entspricht dem Preis. Das Cockpit zeigt sich weitgehend Deckungsgleich mit dem des Coupés. Bei geschlossenem Verdeck bleibt selbst für Großgewachsene ausreichend Kopffreiheit. Mit den leicht angewinkelten Beinen muss man allerdings genauso leben, wie mit dem nicht ganz etwas mühsamen Ausstieg. Etwas Gepäck findet im 150 Liter kleinen Kofferraum unter der Fronthaube, oder im 70 Liter fassenden „Secret-Room“ des Verdeck-Kastens hinter den Sitzen Platz. Er lässt sich jedoch nur bei geschlossenem Verdeck nutzen.
Doch grenzt es schon an Blasphemie, einen McLaren im Stand zu bewerten. Seine Fans sind Fahr-Enthusiasten. Für sie zählt, was er auf die Straße zaubert. Und genau deshalb ziehen wir jetzt die Türen runter und schmeißen das „Moped“ an. Leise zu starten wäre seiner nicht würdig. Eine Kinder und Omas erschreckende Sound-Explosion ertönt beim Start. Ich will fahren. Leider sind wir in der Stadt, Blitzer und Polizisten sind in Alarmbereitschaft und da sind sie auch wieder die Handy zückenden Paparazzi. Der McLaren scheint die Menschen in ihren Bann zu ziehen. Nicht eine negative Reaktion, wie man sie bisweilen bei anderen Supersportwagen vernimmt. Kurzes Eingewöhnen. Schnell raus aus der Stadt. Auf der bergigen Landstraße spiele ich die Gänge des 7-Gang Doppelkupplungsgetriebes über die Lenkrad-Paddle durch. Endlich kann ich das Gaspedal durchdrücken.Aus dem Stand katapultiert mich dieser offene Rennwagen in nur 3,2 Sekunden auf Tempo 100 und in 9,6 auf 200. Theoretisch reicht die Klaviatur bis zu unglaublichen 328 Stundenkilometern bei geschlossenem und 315 bei offenem Verdeck. Diese Werte und der relativ günstige Norm-Verbrauch von „nur“ 10,7 Litern sind auch dem niedrigen Gesamtgewicht von nur 1.498 Kilogramm (58 Kilo mehr als das Coupé) geschuldet, Und natürlich der 570 PS leistenden 3,8 Liter V8 Maschine mit ihren 600 Newtonmeter maximalem Drehmoment. Bei einer solchen Power sind die Verzögerungswerte ein entscheidender Sicherheitsfaktor. Gerade mal 32 Meter Bremsweg lassen die serienmäßigen Keramik-Bremsen im 570S zu. Die Stärke des heckgetriebenen Spiders ist seine schier unvorstellbare Kurven-Präsenz. Der Brite scheint am Boden zu kleben. Grenzbereich? Noch lange nicht! Unglaublich spät schert das Heck erst aus. Die Grenzen der Physik scheinen verschoben.
Was muss ich tun, damit dieser Rennwagen quer geht? In der Mittelkonsole finde ich zwei Drehschalter. Der eine ist für den Motor zuständig, der andere für die Dämpfung. Ihre Spreizung reicht von „Normal“ über „Sport“ bis hin zu „Track“. Ich schallte die ESP Taste aus. So lädt der 570S Spider zur berechenbaren Kurven-Hatz mit Sonoren Auspuff Fehlzündungen, qualmenden und quietschenden Reifen. Das Mittelmotorkonzept macht den McLaren zum Agilitäts-Weltmeister und autistischem Zeichner graziler Gummi-Linien auf dem Asphalt. Auch wenn der Bewegungsspielraum im Innenraum begrenzt ist, lässt sich der 570S auch auf langen Strecken im entsprechenden Modus gut bewegen. Sein Fahrwerk wurde langstreckentauglich abgestimmt.
Fazit
Konkurrenten des McLaren 570S sind unter anderem der Audi R8 Spider oder Porsche Turbo S Cabrio. Wie sie bewegt er sich in einem Preisbereich um die 200.000 Euro. Optisch hebt sich der McLaren deutlich ab. Er ist exotisch im besten Sinn. Er fällt auf, wie der viel zitierte bunte Hund. Wo er ankommt, laufen Menschen aus ihren Häusern, um ein Foto zu schießen, den Finger zu heben oder Beifall klatschen. Die Wirkung dieses McLaren Cabrios ist ein Phänomen. Seine unglaubliche Straßenlage hat mich in ihren Bann gezogen. Seine pure Leistung hat mich überzeugt. Mit einem Basispreis von mindestens 208.975 Euro ist das Cabrio zwar etwa 27.000 Euro teurer als das Coupé, fährt aber von Werk aus schon mit mehr Serienausstattung vor. Wohl dem, der über ein prall gefülltes Bankkonto verfügen kann.
Fotos: Jan Weizenecker und Patrick Gosling (Beadyeye)
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Jan Weizenecker
Absolvent der Volks- und Betriebswirtschaftslehre der Albert-Ludwigs Universität Freiburg. Mal in kleinerem, mal in weiterem Radius, aber immer mit der nötigen Portion Humor, berichte ich seit 2012 über die Neuerscheinungen der Automobilwelt.
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