Kia e-Soul: 455 Kilometer durch E-Pedal
Elektromobilität ist in aller Munde, stellt jedoch Nutzer und Fahrzeughersteller vor viele Fragen. Die Hersteller müssen die Wünsche der Kunden und die Anforderungen der Politik unter einen Hut bringen.
Während die deutschen Hersteller anscheinend im batterieelektrischen Antrieb die Zukunft sehen, stellen sich die Koreaner und Japaner deutlich breiter auf. Die Verbrenner sollen weiterhin im Programm bleiben, aber deutlich effizienter und emissionsärmer werden. Mild-Hybride, Hybride und Plug-in-Hybrid können als Zwitter zudem interessante Zwischenlösungen sein. Bei Kia kommen bis 2025 insgesamt 22 elektrifizierte Modelle dazu – auch mit Brennstoffzellen-Technologie. Durch diese breite technologische Ausrichtung dürfte es den Koreanern bestens möglich sein auf Trends und gesetzlich bestimmte Vorgaben einzugehen.
Im Rahmen der Presse-Veranstaltung „Kia goes Electric“ habe ich den neuen Kia e-Soul unter die Lupe genommen. Er ist das jüngste Elektromobil der Marke und bietet alles, was die Marke derzeit e-technisch zu bieten hat.
Im Jahr 2008 erschien der Kia Soul erstmals im Markenportfolio von Kia und sorgte mit seinem markanten Äußeren für Aufsehen. Viele Kunden fanden das Modell jedoch in Europa nicht, was sich auch mit der zweiten Generation nicht wesentlich geändert hat. Die Kunden hierzulande haben den Design-Mut der Koreaner lange nicht belohnt. Erst zum Ende des Lebenszyklus hin gewann der Kia Soul an Attraktivität, nicht zuletzt weil er neben den Verbrennern erstmals auch einen reinen Elektroantrieb bot. Der pushte die Absatzzahlen zum Produktionsende hin spürbar. Nun steht die 3. Soul-Generation bei den Händlern. Geblieben sind ein extrovertiertes Design und der Elektromotor – jedoch als einzige Antriebsvariante für Europa (in den USA gibt es den Soul weiterhin mit 3 Benzin-Motoren).
Der Kia e-Soul teilt sich die technische Basis mit Hyundai IONIQ und Kia eNiro. Beim Design geht der kompakte e-Soul weiterhin seinen eigenen Weg. Die Front lässt den typischen Kia Kühlergrill mit der Tiger-Nase gänzlich vermissen und die schmalen LED-Scheinwerfer scheinen denen von Land Rover ähnlich. Beim Blick auf die Seitenlinie des 4,21 Meter langen und 1,60 Meter hohen Kia e-Soul zeigt sich sein würfelförmiges Karosseriedesign besonders deutlich. Auffällig sind der lang gestreckte Vorderbau und das senkrecht abfallende Heck. Was den optischen Schwerpunkt des Fahrzeugs nach hinten verlagert. Über den Dachkantenspoiler sind die Rückleuchten optisch miteinander verbunden. Ein roter „SOUL“ Schriftzug setzt einen feinen farblichen Akzent im sonst clean gehaltenen Heckdesign.
Beim Blick hinter die manuell öffnende Heckklappe offenbart der Kia e-Soul ein Standard-Gepäckvolumen von 315 Litern, was etwas unterhalb der „Golf-Werte“ liegt. Die Rückenlehnen können im Verhältnis 60/40 schnell und leicht umgelegt werden. Dadurch ergibt sich dann ein stattliches Laderaumvolumen von 1.335 Litern.
Auf der bequemen Rücksitzbank lässt es sich auch als etwas korpulenter, 1,78 m großer, Erwachsener gut aushalten. Die Kopffreiheit ist üppig, die Knie haben genug Platz und die Füße parken bequem unter dem Vordersitz. Eine Mittelarmlehne könnte den Sitz-Komfort im Fond jedoch noch steigern. Eine zweite USB-Buchse vor den Rücksitzen würde Streit-Situationen bei den Kids in der zweiten Reihe vermeiden helfen.
Hinter dem Lenkrad sitzt es sich auf straff gepolsterten Sitzen gut. Sie bieten jedoch kaum Seitenhalt. In der höchsten Ausstattungslinie „Spirit“ sind die Sitze (optional) sogar in Leder gehüllt, beheiz- und belüftbar sowie elektrisch verstellbar. Das beheizte Lederlenkrad lässt sich in Höhe und Tiefe justieren. Ein kleines Manko sind die in meinen Augen etwas zu klein geratenen Bedientasten für Tempomat, Audio und Bordcomputer.
Der sauber verarbeitete mit weichen Kunststoffen ausgekleidete Innenraum hebt sich optisch – wie auch außen – sichtlich von denen seiner Markenbrüder ab. So gibt es viele runden Elemente im gesamten Fahrzeug sowie spezielle Dekoreinsätze in den Türen. Zentraler Blickfang ist jedoch das komplett neue UVO-Infotainmentsystem. Mit ihm schließt Kia nun zu den Angeboten der deutschen Hersteller auf. Das optional 10,25 Zoll große Display zeigt gestochen scharfe Bilder, lässt sich individuell in der Ansicht gestalten und besitzt mit eSIM und Smartphone-Spiegelung eine zeitgemäße Vernetzung. Der Kartenlieferant TomTom bietet mit seinen Live-Funktionen neben Echtzeit Verkehrsinformationen auch Park-Informationen und Infos über die nächst liegende Ladesäule. Neu ist auch die passende App zur Fahrzeug Fernverwaltung. Mit ihr können nicht nur Fahrzeugdaten (Akkustand, Reichweite etc) abgerufen, sondern auch die Klimatisierung aktiviert oder Navigationsziele an das Fahrzeug übermittelt werden.
Der Antrieb
Wer zum ersten Mal den Start-Stopp Knopf eines Kia e-Soul drückt, hat sich bereits beim Händler bereits für die passende Antriebs- und Akku-Variante entschieden. So parkt entweder die Vernunftversion mit 39,2 kWh Akku und 136 PS E-Motor vor der heimischen Wallbox, oder die Variante mit 204 Elektro-Pferden und 64 kWh Batterie. Wie der Großteil aller Kunden, habe ich den Kia e-Soul mit großem Batteriepack und leistungsfähigerem Elektromotor für meine Testfahrt gewählt. Neben der maximalen Reichweite von 455 Kilometern (gemäß Praxis-Zyklus) sorgt insbesondere der starke E-Motor für gute Laune hinter dem Steuer des Kia e-Soul (204).
Die 204 PS und 395 Newtonmeter schieben den knapp 1,8 Tonnen schweren Kompaktwagen (der Akku allein wiegt 457 Kilo) bei Bedarf in 7,9 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Auf meiner Testfahrt hat sich gezeigt, das bei zurückhaltendem Umgang mit dem „E-Pedal“ die angegebene Reichweite von 455 Kilometern problemlos erreicht.
Richtig gut hat mir die Möglichkeit gefallen, der Rekurperations-Modus mittels Wippen (hinter dem Multifunktionslenkrad) einzustellen. So kann man auf längeren Passagen die Rekurperation deaktivieren und energiesparend „segeln“. Kommt dann doch in größerer Distanz ein Hindernis, verzögern wir durch immer stärkeres hinzuschalten der nächsten Rekurperationsstufe bis zum Stillstand. So ist es bei vorausschauender Fahrweise durchaus möglich, ohne den Einsatz des Bremspedals vor roten Ampel zum Stehen zu kommen. Dieses Spiel macht nicht nur Laune, es animiert zu einer vorausschauenden Fahrweise, um die Energie besser zu nutzen oder zurück zu gewinnen. Wer den Verbrauch noch weiter positiv wie negativ beeinflussen möchte, der nutzt die insgesamt vier Fahrmodi (Eco+ / Eco / Normal / Sport). Während man sich in „Eco+“ „bevormundet“ fühlt, (max Tempo 90km/h, keine Klimatisierung und deutliche Leistungsreduktion), findet man sich im Alltag wohl meist bei Eco oder Normal wieder. Sport nutzt man dann lediglich auf Landstraßen mit erhöhtem Leistungsanspruch, etwa für Überholvorgänge.
Sportlichkeit steht dem Kia e-Soul im Grund nicht wirklich, auch wenn die straffere Feder-Dämpferauslegung zusammen mit dem niedrigen Schwerpunkt gute Voraussetzungen bieten würden. Die Koreaner haben sich für einen leichtfüßigen Umgang im urbanen Umfeld entschieden. Dies verdeutlicht insbesondere der geringe Wendekreis von lediglich 10,6 Metern und die leichtgängige, indirekt ausgelegte Lenkung. Sie passt zum Stadtbetrieb sehr gut, für zügige Kurvenfahrten mit Anspruch auf erhöhte Rückmeldung jedoch weniger.
Also lieber ruhig, effizient und entspannt durch den Alltag gleiten und den Stress außerhalb der Fahrerkabine lassen. Dafür verwöhnt uns der Kia e-Soul mit einer ganze Reihe mit modernen Assistenzsystemen, die uns den Alltag erleichtern und sicherer gestalten. Zum guten Ton gehören hier bereits ab Werk ein adaptiver Tempomat, ein aktiver Spurhalteassistent, die Rückfahrkamera und ein autonomer Notbremsassistent mit Fußgängererkennung. Optional bietet Kia dann noch einen Querverkehrswarner und einen Totenwinkelwarner an. Damit ist der Kia e-Soul auch im Bereich Sicherheit auf der Höhe der Zeit.
Nach der Testfahrt wollen wir natürlich noch ein paar Worte zum Thema Laden verlieren. So lässt sich der Kia e-Soul mittels CCS Schnellladesystem auf langen Strecken zwischen laden. Dabei braucht der Kia e-Soul an einer 100 kW Säule 54 Minuten um auf 80 Prozent der Kapazität zu laden. Wer daheim oder an einer öffentlichen Ladesäule per Typ-2-Stecksystem laden möchte, der sollte hierfür rund 9,5 Stunden (Wechselstrom-Ladestation, 230 V, bei 7,2 kW Leistung) bei zuvor leerer Batterie einkalkulieren. Ja, die Ladezeiten sind etwas lang, was dem 400-V-System und der großen Akku-Kapazität geschuldet ist.
Ach ja, hätte ich den e-Soul gekauft, würde ich meinem Kia-Händler 45.570 Euro für den gut ausgestatteten Testwagen schulden. Nicht wenig Geld, gemessen an Ausstattung und Leistung. Berücksichtigen sollte man auch, dass Kia 7 Jahre Garantie auf Auto und auch Akku (bis 150.000 km) gewährt! Sparen kann, wer auf den großen Akku verzichten kann, weil er mit 300 Kilometern Reichweite klar kommt. Damit könnte man einerseits die aktuell lange Lieferzeit von 10 – 12 Monaten reduzieren und die Haushaltskasse um 3.800 Euro schonen. Der Einstiegspreis für den Kia e-Soul mit dem 39,2 kWh Akku liegt als Edition 7 übrigens bei 33.990 Euro. Ich würde jedem aber mindestens die Ausstattungslinie „Vision“ ans Herz legen (+ 3.700 Euro), da hier die Wärmepumpe mit Akku-Vorheizung ebenso an Bord ist, wie eine Sitzheizung und die Einparkhilfe im Fond.
Technische Daten
Kia e-Niro 150 kW
Länge x Breite x Höhe (m): 4,38 x 1,81 x 1,56
Radstand (m): 2,70
Motor: Permanentmagnet-Synchron
Leistung: 204 PS (150 kW) bei 3800-8000 U/min
Max. Drehmoment: 395 Nm bei 0- 3600 U/min
Batteriekapazität: 64,2 kWh
Ladezeit: 42 min bis 17h 50 min
Höchstgeschwindigkeit: 167 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 7,8 Sek.
Reichweite, max.: 455 km
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 15,9 kWh
Effizienzklasse: A+
Leergewicht / Zuladung: min. 1812 kg / max. 418 kg
Kofferraumvolumen: 451–1405 Liter
Wendekreis: 10,6 m
Bereifung: 215/55 R 17
Garantie: 7 Jahre
Basispreis: 39.090 Euro
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Matthias Gill
Neudeutsch als Petrolhead bezeichnet, ist Matthias seit frühester Kindheit mit dem Thema Auto verbunden. Als Öko- und Verbrauchsking verschrien, beherrscht er aber auch die flotte Art der Fortbewegung und übt gern auch mal konstruktive Kritik. Er testet nicht nur Fahrzeuge, er lebt sie auch. Ob Motorrad, LKW oder jegliche Art von Fahrzeug, er will stets wissen was die Stärken und Schwächen sind und gibt sie offen an Euch weiter.
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