„Nicht warten, starten“ – Ab dem 21. Juni launcht Renault die Kadjar mit diesem eher plumpen Werbespruch. Markantes Design soll den Franzosen helfen, frischen Wind in die Welt der Kompakt-SUVs zu wehen. Das komplett neu entwickelte Nischen-Modell, auf Basis des Konzernschwester-Modells Nissan Qashqai, wird sich oberhalb des Captur und unterhalb des Koleoss positionieren. Im Wettbewerb will man neben der eigenständigen Linienführung mit besonders sparsamen Motoren überzeugen. Das Konzept wirkt durchdacht und vielversprechend. Doch liebe Renault Marketing-Künstler – warum dieser Name? Mich persönlich erinnert er an eine alte Liebschaft. Die negative Konnotierung lässt sich dabei leider nicht vermeiden. Sei’s drum. Lesen Sie hier unseren exklusiven Fahrbericht.

Neue Modelle betrachten Auto-Journalisten immer gespannt wie ein Flitzebogen. Analysiert wird haarscharf und schonungslos, wie bei einer Privat-Detektei. Auf den ersten Blick wird schon deutlich: Der Kadjar ist ein echter SUV. Ein kompakter SUV zwar, aber steht dabei stolz und mächtig auf seinen vier Rädern. Fast wie ein Großer eben.

Renault KadjarMit 4.449 Millimeter Länge, 1.836 Breite und 1604 Höhe ist der französische Neuling auch wahrlich kein Zwerg. Trotz gleicher Plattform mit dem Qashqai ist der Kadjar sieben Zentimeter länger als sein japanischer Bruder. Die optischen Kern-Attribute des Newcomers sind muskulöse Kotflügel, taillierte Flanken, große Räder, markante LED-Leuchten, mit Schwung auslaufende Schulterlinien, flache Windschutzscheibe, chrom-umrandete Seitenscheiben und niedriger Dachaufbau. Sie verleihen dem Kadjar eine athletische Figur.

Diese Linienführung ist so spannend und filigran, dass sie sich von der Konkurrenz um Nissan Qashqai, VW Tiguan, Hyundai Tucson, Kia Sportage und Co abhebt. Die 20 cm Bodenfreiheit tragen dafür Sorge, dass der Kadjar im Gelände stabil bleibt. Durch maximale Böschungswinkel von 18 Grad vorne und 28 Grad hinten, ist der Franzose kein Poser, er hat im Gelände auch was zu bieten. Der Kadjar gefällt mir – trotz des unglücklich gewählten Namens. Auch wenn mir die Katja noch besser gefallen hat.

Doch ich bleibe professionell und begutachte den Innenraum. Hier herrscht großzügiges Raumangebot auf allen Plätzen. Durch den 2,647 m langen Radstand und die 1,604 m Höhe ist Raum im Kadjar keine Mangelware. So sind selbst größere Mitreisende mit 220 mm Knie- und 910 mm Kopffreiheit im Fond gut bedient. Das grosszügige Panoramadach ist zwar 790 Euro teuer, lohnt sich aber für die helle Atmosphäre im Innenraum. Auch mit den bequemen Sitzen, mit gutem Seitenhalt können Fahrer wie Beifahrer glücklich sein. Die vernünftige Rundumsicht werden nicht nur an „Rücken“ leidende Kunden genauso zu schätzen lernen, wie den bequemen Ein- und Ausstieg.

Renault Kadjar Gepäckraum  2015 der-autotester.deOrdentlich viel Gepäck ist im Kadjar ebenfalls gut aufgehoben. Bei einer Beladung bis zur Fensterkante fasst die 5-sitzige-Version 472 Liter. Legt man die Rücksitze um, so entsteht eine ebene Fläche und 1.478 Liter Stauraum. Reist man einsam, legt man die Beifahrerlehne flach und es finden bis zu 2.563 m lange Gegenstände Platz. Der zusätzlich herausnehmbare doppelte Ladeboden ist hier ebenso praktisch wie das Easy-Break-System, mit dem sich die Rücksitze automatisch umlegen lassen. Summa Summarum hinterlässt der Innenraum durch hochwertige Materialien einen guten Eindruck, der mit den Schwächen der alten Renault-Generationen nicht mehr viel zu tun hat. Die Instrumententafel um den 7-Zoll Monitor ist im Stile eines echten Cockpits fahrerorientiert. Der Monitor in der Mittelkonsole ist ähnlich intuitiv bedienbar wie ein Tablet-PC. Die Off-Road Anmutung unterstreichen 3 Griffe für Fahrer und Beifahrer.

Die Wahl der Motorisierung ist zum Marktstart einfach. Es stehen drei downgesizte Vierzylinder Motoren zur Wahl, alle mit Start-Stopp Automatik bestückt. Zwei Turbo-Diesel-Aggregate und ein Turbo-Benziner. Der 1,5 Liter-Basis-Diesel ist 81 kW/110 PS kräftig. Er ist mit dem 6-Gang-Schaltgetriebe oder dem 6-Stufen-Doppelkupplungsgetriebe orderbar. Der ausschließlich frontgetriebene Motor begnügt sich in beiden Fällen mit 3,8 Liter kombiniertem Norm-Verbrauch auf 100 Kilometer. Der zweite Turbo-Diesel hat 1,6 Liter Hubraum und leistet 96 kW/ 130 PS. Er wird von Renault mit einem kombinierten Norm-Verbrauch von 4,3 Litern als Fronttriebler angegeben. Dieser Motor ist auch mit Allrad-Antrieb zu haben, dann verbraucht er 0,6 Liter mehr Treibstoff. Der Turbo-Benziner ist wie der kleine Diesel nur mit dem Vorderradantrieb kombinierbar und das auch nur als Handschalter erhältlich. Das 1.2 Liter Triebwerk leistet maximal 96 kW/ 130 PS und benötigt 5,6 Liter (Normwert) auf 100 Kilometer. Wir würden uns allerdings die ein oder andere leistungsstärkere Motor für den Kadjar wünschen.

Renault Kadjar Felge
Bewegt man den Kadjar, so fällt schnell seine außergewöhnlich gute Federung auf. Zusammen mit dem feinfühlig abgestimmten Fahrwerk schluckt sie fast jede Unebenheit auf der Straße weg. Ob Schotterpiste, Bodenwellen oder Schlaglöcher – nichts bringt den Kadjar und seinen leisen Innenraum aus der Ruhe. Die bemerkenswert leichtgängige manuelle Schaltung macht es einem zudem einfach. Ob Benziner oder Diesel – beide Motoren sind so kultiviert und laufruhig, so fragt man sich gelegentlich fragt, ob sie überhaupt noch laufen. Und genau diese Stärke ist vielleicht die größte Schwäche. Denn der Kadjar zieht  – wie man auf gut Badisch sagt – keine „Wurscht“ vom Brot. Etwas mehr Durchzugskraft stünde vor allem dem Benziner gut zu Gesicht. Der Diesel entwickelt ja von Haus aus mehr Power beim Beschleunigen. Wobei der geringe Verbrauch ein Lächeln in selbiges Gesicht an der Tanke zaubert. Ein zweischneidiges Schwert…
Renault KadjarFazit
Um es mit Heinos Worten zu sagen: „Jaja die Kadjar, die hat ja…“ – echt was zu bieten. Tolles Design, vernünftige Motoren, gute Qualität und Fahreigenschaften machen Kadjar zu einem meiner Lieblingsmodelle im Jahr 2015. Das Ding ist auch bezahlbar. Ab 19.990 Euro erhält man den Renault in der niedrigsten Ausstattungsline „Life“ mit dem 130 PS starken handgeschalteten Benziner. Mit einer Klimaautomatik, Tempomat, Radio, LED-Signatur Leuchten und chrom-umrandeten Seitenscheiben erhält der Kunde dafür bei Leibe kein „nacktes“ Auto. Wünscht man den kleinen Diesel mit Doppelkupplungsgetriebe wird’s mit mindestens 26.990 Euro schon etwas teurer, aber durch das „Experience-Paket“ zusätzlich reicher an Ausstattung. Mit zahlreichen optionalen technischen Sicherheits-Assistenz-Systemen und der zweiten Generation des R-Link Bediensystem ist der Franzose auch technisch auf dem neusten Stand.