Ford Transit Custom Nugget (2021) – Der Camper-Van mit der etwas anderen Raumaufteilung
Der Nugget fischt in einem Segment, das sich seit geraumer Zeit nicht über mangelnden Nachfrage beklagen kann. Zu Campern ausgebaute Kleintransporter sind nicht nur als Neuwagen gesucht. Denn sie sind im Alltag genauso für den Transport der Kinder zu gebrauchen, wie auch am Wochenende zum Übernachten. Zwei-Personen-Haushalte finden mit den Camping-Bussen eine eierlegende Wollmilchsau. Und weil sie so beliebt sind, verliert diese Spezies deutlich weniger an Wert, wie normale PKWs.
Ford Transit Custom Nugget (2021)
Dominierender Marktführer in diesem Segment ist Volkswagen Nutzfahrzeuge mit dem California. Seit Jahrzehnten realisieren die Hannoveraner mit diesem Produkt hohe Absatzzahlen bei hohen Preisen, die sich bei Neuwagen meist im Bereich zwischen 70.000 und 90.000 Euro bewegen. Solche Preise wecken selbstredend Begehrlichkeiten beim Wettbewerb. So bietet die Hymer-Marke Crosscamp einen ausgebauten Bus auf der Basis von Toyota Proace und auch von Opel Zafira Life an. Seit kurzem ist auch Bürstner auf den Zug aufgesprungen und sorgt mit dem Copa auf Ford Transit Basis und Preisen ab 40.000 Euro (für die 2er Nutzung) für Furore. Aber auch Ford selbst möchte ein Stück des Kuchens und bietet den von Westfalia ausgebauten Ford Transit Custom Nugget zu Preisen ab 53.000 Euro an.
Hohe Qualität der Möbel
Wir haben den knapp 5 Meter langen Ford Nugget mit Aufstelldach über 14 Tage hinweg im Alltag unter die Lupe genommen. Unser Testwagen war mit der 170 PS (125 kW) 2.0-Liter-Diesel-Maschine versehen, deren Kraft über ein Automatikgetriebe an die Vorderräder geleitet wird. Bis zu 390 Newtonmeter Drehmoment werden von der Antriebseinheit bereitgestellt. Dies Kraft passt bestens zum Camper-Van, der inklusive Ladung bis zu 3,2 Tonnen (600 Kilo Nutzlast) wiegen und 1,2 Tonnen an den Haken (Option) nehmen darf. Unser Testwagen hat im Schnitt auf 100 Kilometer 9,9 Liter verbraucht. Hier macht sich das hohe Gewicht und die große Frontfläche bemerkbar. In der Basis gibt es den Nugget übrigens mit einem 130 PS Diesel.
Mit den in unserem 170-PS-Testwagen mit seinem Radstand von 2,93 Meter verbauten Optionen kostet der für bis zu 4 Personen ausgelegte Nugget runde 66.000 Euro. Damit liegt er deutlich günstiger als ein in etwa vergleichbar ausgestatteter VW California, aber etwa 6.000 Euro höher als der Bürstner Copa. In unserem Video sind wir ausführlich auf die verbauten Optionen eingegangen. Bei der Kaufentscheidung sollte jedoch nicht allein der Preis, sondern auch die Ausbau-Qualität und die Sinnhaftigkeit der Raumaufteilung mit Blick auf die persönlichen Präferenzen berücksichtigt werden. Auch der Wertverlust über die Jahre könnte ein Thema sein, es sei denn man möchte das zum Familienmitglied gewordene Mobil ohnehin nicht mehr verkaufen.
Clevere Detail-Lösungen
Die Qualität der Möbel mit den Laminat-Fronten und insbesondere die Raumaufteilung gefällt uns beim Nugget noch etwas besser als beim California, denn die Anordnung der Küche im Heck lässt in der Mitte des Fahrzeugs die komplette Breite nutzbar werden. Und weil von hinten nach vorn und umgekehrt ein schmaler Durchgang bleibt, kann hier ohne Umbauarbeiten sogar ein Fahrrad bequem im Innenraum transportiert werden. Die Küche beinhaltet ohne Aufpreis einen Herd mit zwei Gaskochstellen und elektronischer Zündung, ein rundes Waschbecken, und einen 40 Liter Kühlschrank. Der empfehlenswerte Warmwasserboiler kostet 667 Euro Aufpreis. Wenn man die Heckklappe öffnet, zeigt sich zudem ein Wasseranschluss für eine praktische Außendusche, die ebenfalls in der Basis beinhaltet ist. Wenn man einen Vorhang an der offenen Heckklappe befestigt, entsteht gleichsam eine Duschabtrennung und auch einen Art Anbauzelt. Unter der Küche finden im Innenraum auch der 42-Liter-Frischwassertank und der gleich große Abwassertank Raum. Das Frischwasser kann über einen Stutzen am Blechkleid eingefüllt werden. Gasflaschen mit einem Gewicht bis zu 2,8 Kilo können mit auf die Reise gehen. Im Wohnraum stehen zwei 220 Volt Steckdosen und zwei 12-Volt-Dosen zur Verfügung.
Schlafen kann man bequem entweder unter dem Aufstelldach, wo eine dünne Matratze (2,o x 1,38 Meter) auf punktelastischen Federelementen ruht. Unten kann die Sitzbank durch Kippen der Rückenlehne und Ausklappen einer Zusatzeinheit zu einem 1,91 x 1,30 Bett gemacht werden. Beim ersten Mal muss man noch üben, aber dann funktioniert das locker. Etwas viel Kraft erfordert das Anheben des Aufstelldachs. Dieser Vorgang wird zwar mit Gasdruckfedern unterstützt, aber diese Hilfe macht sich erst bemerkbar, wenn die ersten Zentimeter per Muskelkraft überwunden sind. Aufpassen sollte man auch beim Schließen des Aufstelldachs, weil es auf den letzten Zentimetern nicht mehr abgefedert wird und so zu einem Dachschaden bei der handelnden Person führen kann. Das ließe sich besser lösen. Gut angebracht sind die im oberen Schlafraum angebrachten LED-Leuchten. Dort oben bleibt es zudem durch 3 per Reißverschluss öffenbare Fenster bei Bedarf luftig.
Nichts ist ohne Schwächen
Wenn die Sitzbank im Wohnraum aufgerichtet wird, steht direkt davor ein ausklappbarer Tisch bereit, der ansonsten eng an der Wand anliegt. Gute Lösung. Auch die Unterbringung des Campingtischs unter der Heckklappe wurde gut und sicher gelöst. Direkt neben der Schiebetür findet ein schicker Schirm seinen sinnvollen Platz. Schöne Detail-Lösung.
Die Außenhöhe des Nugget mit dem Aufstelldach beträgt 2,06 Meter. Damit ist er etwa 7 Zentimeter höher als der VW California. Das klingt nach minimalen Unterschied, ist es auch, trotzdem sollte man bedenken, dass nicht wenige Schranken maximal 2 Meter hohe Fahrzeuge unter sich hindurch lassen. Auch bei Tiefgaragen kann es auf den Zentimeter ankommen. Aus unserer Sicht ein Punktabzug für den Ford Nugget.
Das Fahren mit dem Nugget funktioniert nicht zuletzt durch die Getriebeautomatik leicht und locker. Ängstliche Naturen kann man damit beruhigen, dass die Grundfläche des Nugget kaum größer ist, als die eines Ford Mondeo oder VW Passat. Auch die modernen Assistenz-Systeme machen das Fahren mit dem Nugget sicherer und komfortabler. Da findet sich kaum noch ein Unterschied zu einem normalen PKW. Zwei Einschränkungen möchte ich machen: Das ACC System verabschiedet sich – trotz Automatikgetriebe – unterhalb von Tempo mit einem unaufgeregten ton. Das bedeutet, genau in Stau-Situationen, in denen ein solches System besonders wertvoll ist, funktioniert es nicht. Vergleichbare Systeme bleiben bis zum Stillstand aktiv und nehmen sogar dann ihren Dienst wieder nach kurzem Druck auf das Gaspedal wieder auf.
Der zweite negative Punkt ist die Bedienstruktur des Automatikgetriebes. Denn wenn man den Wahlhebel wie gewohnt nach hinten in Richtung „D“ zieht, landet man in „M“. Das merkt man zwar gleich, weil die Kiste nicht schaltet, aber dann muss man den Wahlhebel eine Stufe schmale Stufe nach vorn schieben. Das dauert und nervt in Situationen, in denen man schnell vorwärts kommen möchte.
Ob mir was an Ausstattung fehlt? Ja, eine Toilette. Wer eine fest eingebaute nicht missen möchte, der kann zum Nugget Plus greifen, der etwas länger ist und so Raum für diese Einrichtung hat. Wer den kompakten Nugget vorzieht, der muss sich mit einer mobilen Lösung behelfen. Selbstredend kann der Nugget licht- und blickdicht gemacht werden.
Fazit
Ein gelungener Camper Van mit einer außergewöhnlichen Raumaufteilung, für die wir deutliche Vorteile sehen. Beim Preis liegt der Ford Transit Custom Nugget zwar unter dem des Marktführers, aber oberhalb der Modelle, die klassische Reisemobil-Hersteller auf dem Markt haben. Am Ende sollte man sich selbst ein Bild machen, welches für die persönlichen Ansprüche das Beste ist.
Technische Daten:
Ford Transit Custom Nugget
2,0l TDCI, 125 KW (170 PS), Automatikgetriebe, 320 L1
Nugget (Aufstelldach)
Radstand 2933 mm
Länge 4863 mm
Breite/inkl.Spiegel 1974/2374 mm
Spurweite – vorn 1737–1745 mm
Spurweite – hinten 1710–1718 mm
Höhe, unbeladen, Aufstelldach 2006/3120 mm
Wendekreis 10,8 m
Frontantrieb/
Dieselmotoren 2,0 l TDCi
Leistung kW (PS) 125 kW/170 PS
Drehmoment Nm 390
Getriebe Automatik
Testverbrauch Diesel 9,9 l
zul. Gesamtgewicht 3200 kg Anhängelast 1200 kg Basispreis: 53.220 Euro Testwagenpreis: 66.664 Euro
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Dr. Friedbert Weizenecker
Dr. Friedbert Weizenecker - Seit mehr als 15 Jahren schreibe ich Auto-Themen für mehrere Zeitungen. Vor meiner Zeit als Auto-Journalist habe ich wirtschaftswissenschaftliche Features für ein Wirtschaftsmagazin und für Zeitungen verfasst. Als Volkswirt, Betriebswirt und Soziologe versuche ich auch ökonomische und gesellschaftliche Aspekte einfließen zu lassen. Autos sind meine Leidenschaft.
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