„10 Fragen an …“ Oliver Heilmer, dem Designleiter von MINI
1. Warum sind Sie Automobildesigner geworden?
Seitdem ich denken kann, haben mich Autos unglaublich fasziniert. Ich habe auch schon immer welche gezeichnet – mit Begeisterung. Das fing damit an, dass ich als kleiner Junge zusätzliche Spoiler über die Fotos in Autozeitschriften gemalt habe. Etwas später begann ich, eigene Fahrzeuge zu entwerfen und zu zeichnen. Entsprechend schnell war klar: Ich will Autodesigner werden. Zu der Zeit war das kein allgemein bekanntes Berufsbild wie Arzt oder Jurist. Sie können sich daher vorstellen, dass es in meinem familiären Umfeld durchaus Fragezeichen gab. Ein Vorpraktikum bei einem bekannten Automobilhersteller in Stuttgart nach meinem Abitur hat mich nur noch mehr darin bestärkt, dass ich genau das für den Rest meines Lebens machen wollte. Auch wenn ich damals noch nicht ahnen konnte, dass mich das dorthin führen würde, wo ich heute bin.
2. Woher erhalten Sie Ihre Inspiration? Was fasziniert Sie?
Grundsätzlich fasziniert mich alles, was mir einen Impuls gibt und meine Kreativität anregt. Beispielsweise finde ich Musik sehr inspirierend – von Jazz bis hin zu Hip-Hop. Mich begeistert aber auch die Ästhetik von Technik. Es gibt Produkte, die nach rein technischen Gesichtspunkten von Ingenieuren entwickelt und gebaut wurden – und trotzdem strahlen sie eine unglaubliche Schönheit aus. Kennen Sie z. B. die Faema Espressomaschinen aus den 1950er- und 1960er-Jahren? Das ist so ein Produkt. Seit frühester Kindheit war ich auch vom Mähdrescher auf dem Bauernhof meiner Großeltern fasziniert. Er hat mich komplett in seinen Bann gezogen, und ich konnte Tage damit verbringen, einfach nur mitzufahren und zu schauen. Und natürlich mag ich schöne Dinge. Wobei Schönheit natürlich etwas sehr Subjektives ist.
3. Was ist für Sie „gutes Design“?
Für mich ist gutes Design in sich stimmig und spiegelt einen Zweck wider. Die Funktion muss durch die Form sofort erkennbar und vor allem auch nutzbar sein. Das hat nicht unbedingt etwas mit Schönheit zu tun. Und: Für mich ist gutes Design nicht zu laut, es muss aber ein Stück weit polarisieren – ansonsten läuft es Gefahr, beliebig zu sein. Es gibt durchaus Beispiele im Fahrzeugdesign, die zunächst stark polarisiert haben und dennoch oder gerade deswegen Wegbereiter für ein ganz neues Fahrzeugsegment waren. Der BMW X6 ist so ein Beispiel. Gutes Design muss auch nicht zwangsweise von einem Designer kommen, allerdings ist ein gewisses Gespür für Ästhetik notwendig. Das Blech für viele Karosserien automobiler Klassiker wurde in aufwendiger Handarbeit über Holz in Form geklopft. Das waren damals keine Designer, sondern besonders begabte Handwerker, mit genau diesem Sinn für die Einheit von Form und Funktion. Sie wussten vermutlich nichts von einer Theorie, wie beispielsweise Flächenanläufe zu gestalten sind, Oberflächen beschleunigt oder Highlights gezielt gesetzt werden können – sie haben es einfach richtig gemacht.
4. Was bedeutet MINI für Sie?
MINI verkörpert für mich eine selbstbewusste moderne Haltung, die weit entfernt ist von Luxus durch schiere Größe. Egal, wie exklusiv oder hochpreisig ein MINI ausgestattet ist, außen ist er immer kompakt. Für mich zeigt das, dass die Menschen, die einen MINI fahren, das vor allem für sich tun. Natürlich wollen sie eigenständig sein und ihre Persönlichkeit ein Stück weit durch das Fahrzeug ausdrücken. Aber das machen sie über die inneren Werte des Fahrzeugs. Genau das macht MINI für mich klassenlos. Dazu kommt, dass sehr viele MINI Kunden eine einzigartige, tiefe Beziehung zu ihren Fahrzeugen haben. MINI ist eine sehr emotionale Marke – das gibt es in der Form sehr selten im Automobilbereich.
5. Was begeistert Sie an Ihrem Job als Automobildesigner am meisten?
Als Automobildesigner gestalten wir aktiv einen wichtigen Teil unser aller Zukunft, und wir wollen stets das Beste aus der spannenden Zeit machen. Natürlich wissen auch wir nicht genau, was die Zukunft bringt. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass die technologischen Veränderungen, die wir erleben, positiv sein werden. Zu wissen, dass ich einen Beitrag dazu leisten kann, ist für mich jeden Morgen Antrieb genug, um aufzustehen. Was mich zusätzlich an meinem Job begeistert, ist, dass Design die Möglichkeit bietet, aufzurütteln und manche Dinge kritisch zu hinterfragen. Genau das treibt mich an. Nur zu fordern und nichts vorzuschlagen reicht mir nicht. In ein paar Jahren möchte ich in den Spiegel schauen und sagen können, ich habe alles Mögliche dafür getan, das Design und damit die Marke MINI in die Zukunft zu entwickeln. Das bisher Erreichte, was bereits beeindruckend ist, zu verwalten, ist nicht mein Anspruch.
6. Wo sehen Sie MINI in der Zukunft, und was möchten Sie als Leiter von MINI Design vorantreiben?
Aus meiner Sicht ist MINI eine Marke, die sich stetig weiterentwickeln, ja sogar verändern muss – nicht nur kann, sondern muss. Was wir bis heute in puncto Produktpalette bei MINI auf die Beine gestellt haben, ist sehr gut. Vor allem qualitativ sind wir so gut wie noch nie – und besser als viele unserer Wettbewerber. Trotzdem ist für mich klar: Der Weg kann nicht nur evolutionär sein. Es kommen große Themen auf uns zu: Autonomes Fahren, E-Mobilität, Digitalisierung und Shared Services sind nur ein paar davon. Und die gilt es zu gestalten. Dabei ist mir vor allem wichtig, dass die Substanz von MINI authentisch bleibt. Denn MINI ist eine urbane Marke, und das muss sie auch in Zukunft verkörpern. Daher ist MINI für mich in Zukunft rein elektrisch. Natürlich muss hinsichtlich der Infrastruktur noch viel passieren. Aber ich sehe die Zukunft positiv. Ein anderes wichtiges Thema, das uns zukünftig noch sehr viel stärker als heute beschäftigen wird, ist die Beziehung zwischen Fahrzeug und Kunde. Wir wissen, dass unsere MINI Kunden eine einzigartige Beziehung zu ihrem Fahrzeug und sogar zur Marke haben. Wäre es dann nicht toll, in Zukunft auch auf eine Art und Weise kommunizieren und interagieren zu können, wie man es sonst nur von Personen und guten Freunden gewohnt ist, anstatt über Menüs und Klicks? Und da sehe ich für MINI großes Potenzial als Wegbegleiter.
7. Zum Thema Elektromobilität: Was ist der besondere Reiz, einen rein elektrischen MINI zu gestalten, und unterscheidet sich dies von der Gestaltung eines Fahrzeugs mit regulärem Verbrennungsmotor?
Neue Technologien sind für uns Designer immer spannend, weil sie Impulscharakter besitzen und damit etwas vollkommen Neues anstoßen können. Gerade der elektrische Antrieb und seine Bauraumvorteile erlauben es uns, bisherige geometrische Lösungen zu hinterfragen. Der Antrieb ist deutlich kleiner, dafür brauchen die Energiespeicher mehr Platz als bisher ein Kraftstofftank. Das ermöglicht uns zukünftig in Sachen Innenraumgröße und Proportionen völlig neue Freiheiten. Und gerade darin sehe ich auch ein großes Potenzial für MINI.
8. 2019 stellen Sie den ersten rein elektrischen MINI vor, an dem Sie aktuell arbeiten. Was können wir erwarten?
Der rein elektrische MINI wird ein echter MINI sein. Das heißt, Sie können sich auf maximale Emotion und minimale Verkehrsfläche freuen. Im Detail wird seine elektrische Natur erkennbar sein. Sicherlich durch unkonventionelle und innovative Details, die einerseits die bisherige traditionelle MINI Welt zitieren und sie gleichzeitig mit neuen Technologien verbinden wird. 3-D-Druck wird sicherlich ein Thema sein. Details kann ich noch nicht verraten, da wir aktuell intensiv am Design arbeiten und Entscheidungen noch vor uns liegen.
9. Was können wir also in Zukunft von MINI und insbesondere dem Design erwarten?
MINI verweilt nicht im Jetzt oder im Gestern – auch wenn wir auf eine starke Historie zurückgreifen können. Der classic Mini wurde enorm zweckgebunden und aus einem starken Bedürfnis entwickelt. Unter anderem genau deswegen ist er heute eine Ikone. Diesen Kern möchte ich weiter in die Zukunft übersetzen – mit all den Möglichkeiten, die sich uns bieten. Gerade der Spagat zwischen Tradition und Zukunftsorientierung macht die Arbeit bei MINI Design so enorm spannend für mich. Und dabei darf, ja muss MINI provozieren. Denn MINI ist eine hoch emotionale Marke. Wir könnten und sollten es uns öfter erlauben, mutiger zu sein – auch wenn das beinhaltet, Fehler zu machen. Denn letztendlich geht es um die Emotion. MINI ist für mich jetzt schon nicht mehr nur ein Produkt – MINI verkörpert für mich eine Haltung. MINI steht für stetige Veränderung und das urbane Umfeld: das MINI Herz schlägt im Ballungszentrum. Und für mich bedeutet MINI definitiv Diversity – das Gegenteil von Monokultur. MINI passt in keine Schublade. Letztendlich könnte man das alles zusammenfassen als grundsätzliche Offenheit den Dingen gegenüber. Und ich glaube, dass MINI hier in Zukunft deutlich mehr kooperieren muss, um diesen Anspruch auch erfüllen zu können. Und zwar mit Kooperationen, die nicht nur einen enormen Abstrahleffekt haben, sondern vor allem auch über den Kontext Fahrzeug hinaus denken – so wie wir das bereits mit MINI LIVING und MINI FASHION machen. Denn ich bin überzeugt, dass MINI als Marke auch über das Fahrzeug hinaus funktioniert. Und die dafür essenzielle Vernetzung würde ich in Zukunft gerne forcieren.
10. Wie wird das im Detail aussehen?
Im Zuge aktueller Entwicklungen fragen wir uns natürlich: Was wird einen MINI in Zukunft ausmachen? Wird es das abgesetzte Dach oder der hexagonale Kühlergrill sein? Oder bestimmt das Interieurdesign das Exterieur, da wir durch das autonome Fahren Lebensraum im Fahrzeug erhalten? Egal wie, unsere Aufgabe wird sein, einen MINI als MINI erkennbar zu machen – selbst wenn, überspitzt ausgedrückt, irgendwann nur noch viereckige Boxen autonom das Straßenbild prägen. Ich bin überzeugt, dass sich unser Fokus in Zukunft verschieben wird: Wir gestalten nicht mehr nur Fahrzeuge, sondern Erlebnisse. MINI wird über das Erlebnis erkennbar sein und über ein ehrliches Konzept, das begeistert und einzigartig bleibt. Ich nehme an, dass die grundsätzlichen Bedürfnisse unserer Kunden auch in Zukunft ähnlich wie heute sein werden: Sie wollen mobil und dabei up to date sein, sie wollen in ihren Bedürfnissen so antizipiert und unterstützt werden, dass sie Spaß dabei haben, sich mit ihrem Fahrzeug auseinanderzusetzen. Nehmen wir das Beispiel Connectivity: An dieser Stelle reden wir nicht über Displaygrößen, sondern über die emotionale Bindung bei der Nutzung. Zentral ist hier die Interaktion, und genau diese gilt es zu gestalten. Ein Weg für MINI wäre beispielweise, die dafür notwendige Technik in den Hintergrund zu rücken und stattdessen das Erlebnis MINI typisch anzubieten. Hierin liegt die große Chance, die gleichzeitig eine große Herausforderung ist. MINI könnte hier einen neuen und vor allem eigenen Weg gehen.
Fotos: MINI
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