ORA Funky Cat 400 Pro+ (2023) – Ernst zunehmende Konkurrenz für VW ID.3 und Smart #1
Die neue Ora Funky Cat aus China
Es ist fast schon beängstigend, wenn man sieht, was da derzeit an Autos mit elektrischen Antrieb aus China zu uns kommt und verstärkt kommen wird. Beängstigend natürlich nicht für die Kunden, sie werden aus einer größeren Zahl von Modellen wählen können. Sorgen könnte man sich als Europäer jedoch um die Arbeitsplätze in der hiesigen Automobil-Industrie machen. Makro-ökonomisch betrachtet, stellt sich die Frage, wo die Wertschöpfung dieser Schlüssel-Industrie in einigen Jahren überwiegend stattfinden wird.
Doch gemach! Ich erinnere mich noch bestens an die Zeit, in der die ersten japanischen Autos in Form der Marke Datsun (heute Nissan) in mein Heimatdorf einfuhren und in der Gemeindehalle präsentiert wurden. Ob ihrer vergleichsweise niedrigen Preise hat das in den 70ern manch europäischem Auto-Manager Sorgenfalten auf die Stirn getrieben. Aber wie so oft hat die neue Konkurrenz, die den Wettbewerb belebt und arrivierten Anbieter herausgefordert. Diesen Effekt spürt man auch in der Gegenwart. Denn die europäische Auto-Industrie arbeitet offensichtlich mit Hochdruck an elektrifizierten Modellen. Bleibt abzuwarten, was die europäischen Ingenieure der Flut neuer Marken aus Fernost entgegensetzen können. Es bleibt spannend.
ORA Funky Cat
Was auffällt: Bei weitem nicht alle Modelle, die aus China – oder Vietnam – kommen, wollen über besonders niedrige Preise in den Markt eintreten. Ein gutes Beispiel dafür ist der chinesische Anbieter Great Wall Motor (GWM) mit seinen Marken Wey und Ora, sowie Havel, Tank und GWM Pick-up.
Ora wird in Deutschland von der im Autohandel etablierten Emil Frey Gruppe vertreten. Diese Partnerschaft ist ein kluger Schachzug der Chinesen, denn die Gruppe kann aus jahrzehntelanger Erfahrungen von Frey aus dem Vertrieb der japanischen Marke Mitsubishi zehren und im besten Fall auch deren Händler nutzen. Etwa 150 Mitsubishi Händler sind in Deutschland aktuell bereits für Ora aktiv.
Hübsch gezeichnete Funky Cat
Der (oder besser die?) Ora Funky Cat ist von seinen Maßen her in der Kompakt-Klasse unterwegs, in dem auch die ebenso rein elektrisch angetriebenen Modelle VW ID.3 oder der neue Smart #1 (ebenfalls in China gebaut) nach Kunden fischen. Auch wenn es nicht einfach ist, die verschiedenen Ausstattungslinien miteinander zu vergleichen, kann man sagen, diese Modelle bewegen sich in einem ähnlichen Preisbereich. Wenn man die technischen Daten der Funky Cat studiert, fallen einem etliche Ähnlichkeiten zu Größen- und Leistungsdaten von Smart #1 und VW ID.3 auf (siehe dazu unsere weiteren Videos und Fahrberichte).
Aber natürlich gibt es auch klare Unterschiede. Die Funky Cat ist ein hübsch gezeichnetes Auto mit Kulleraugen, das an VW und an Porsche erinnert. Das Ora-Modell bringt eine 5 Jahres-Garantie ohne jegliche Kilometerbegrenzung mit. In meinen Augen noch besser ist die 8-Jahre-Garantie bis zu 160.000 Kilometern, denn E-Fahrzeuge werden bekanntlich seltener auf langen Strecken bewegt, weil sie gegenüber mit Diesel oder Benzin angetriebenen Autos geringere Reichweiten aufweisen. VW kann oder möchte bei langen Garantiezeiten nicht mithalten. Müssen die Wolfsburger wohl auch (noch) nicht, denn die Qualität der VW Produkte ist weltweit bekannt. Dagegen muss Ora erst noch Vertrauen aufbauen. Das gelingt wohl am ehesten mit einer langen Garantiedauer.
An manchen Stellen hat das Produkt aus Wolfsburg gegenüber der Funky Cat indes die Nase vorn. Während der Ora nur mit Leistungen von bis zu 64/67 kW (DC) laden kann, kommt der ID.3 auch mit 100 kW zurecht. Das führt bei ähnlichen Verbrauchswerten und Akku-Kapazitäten zu deutlich kürzeren Ladezeiten an Schnell-Ladesäulen. Während der ID.3 etwa 30 Minuten von 20 auf 80 Prozent kommt, muss der Ora Fahrer etwa 15 Minuten länger ausharren. Wer schon mal auf längerer Fahrt mit einem E-Auto gewesen ist, der weiss, wie nervend lange 45 Minuten sein können, wenn man eigentlich nichts anderes im Blick hat, als schnell ans Ziel zu kommen.
Wer überwiegend zuhause an der Wallbox (11 kW, 3-phasig) laden kann, für den ergibt sich kaum ein Unterschied, den in 5 bis 6 Stunden sind die Akku-Packs beider Modelle voll. Meist wird das unmerklich über Nacht oder während der Arbeit geschehen. Mit WLTP-Reichweiten von 310 bis 400 Kilometern wird die Katze nicht zum Langstrecken-Fahrzeug. Nach unseren ersten Testfahrten mit der Version 400 Pro+ (63 kWh Akku) gehen wir von einer realistischen Reichweite um 320 Kilometer aus. Mit der Version 300 (48 kWh Akku) sollte man im Alltag im Bereich von 220 Kilometern kalkulieren können. Aber diese Einschätzung hängt – wie bei allen E-Autos – stark von abgeforderter Beschleunigung, länger gefahrener Höchstgeschwindigkeit und Außentemperatur ab.
Neben der in meinen Augen schöneren Hülle der Funky Cat, wirkt auch der Innenraum des chinesischen Modells wertiger und moderner. Auch das Raumgefühl fällt im Segment-Vergleich gut aus, das gilt nicht zuletzt für den Fußraum vor der bequemen Rücksitzbank. Hier können sogar Personen mit der Größe des Autotesters (1,86 Meter) komfortabel sitzen.
Ein USP der Ora Funky Cat ist ihre sehr gut funktionierende Sprachsteuerung mit der man sich frei von Regeln unterhalten kann. Im Lauf der Zeit lernt sie die Aussprache des Fahrers. Wenn Du sagst „Hallo Ora (oder ein anderer frei wählbarer Name), mir ist langweilig“, beginnt die chinesische Katze mit einem Quiz. Nice to have. Interessanter ist, dass man per Sprache auch die Seitenscheiben öffnen und schließen kann, genauso das Schiebedach und den Kofferraum.
Auf unseren ersten Testfahrten haben wir das ausprobiert und es funktioniert bestens. Dabei lernt die Funky Cat ständig dazu. Eine Kamera hat den Fahrer im Visier (kann man abschalten) und kann so auf ihn und sein Verhalten reagieren. Manchmal hat es mich genervt, wenn ich mit dem Schlüssel aus dem Auto bin und „Charly“ (so haben wir unsere Testwagen genannt) mich vielfach wiederholend nach dem Schlüssel fragt. Man kann ihm aber auch sagen, dass er den Schnabel halten soll.
Einen Minus-Punkt bekommt die Funky Cat bei uns zum Thema Gepäck. Denn ihr Kofferraum fällt mit 228 bis 858 Litern (bei umgeklappten Rücksitzlehnen) im Vergleich zum ID.3 (385 bis 1.267 Liter) ist beachtlich deutlich kleiner aus. Zudem ist die Ladekante des Ora relativ hoch, was das Beladen mühsamer macht. Wer einen Anhänger ziehen möchte oder muss, für den ist die Katze leider nichts, denn Ora erlaubt aktuell keine Anhängelast für die Funky Cat.
Der Antrieb des 4,24 Meter langen und etwa 1,6 Tonnen schweren Funky Cat kann bis zu 171 PS leisten und 250 Newtonmeter als Drehmoment bereitstellen. Es gibt aktuell nur eine Leistungsstufe, jedoch – wie bereits erwähnt – zwei Akku-Größen, nämlich 48 (Modell 300) oder 63 kW (Modell 400). Als Beschleunigung aus dem Stand auf Tempo 100 schafft die flotte Katze 8,3 Sekunden. Schluss mit lustig ist bei 160 Stundenkilometern, denn darüber würde der Verbrauch überproportional ansteigen. Reicht ja auch, wenn man den Verkehr auf den Autobahnen betrachtet.
Die ausschließlich an den Vorderrädern angetriebene Funky Cat bietet 4 Fahr-Modi, so kann der Fahrer entscheiden, ob er eher sparsam oder sportlicher unterwegs sein möchte. Selbst im Eco-Modus hat mir die Beschleunigung noch gut ausgereicht. Die Ora Funky Cat mag schnell gefahrene Kurven. Im Sport-Modus legt sie los wie Schmidt´s Katze und erinnert an einen Sportwagen. Die Ora Cat wurde eher sportlich, denn komfortabel abgestimmt. Ihr Wendekreis von 11,2 Meter ist im Vergleich mit anderen kompakten e-Autos überraschend groß.
Der Preis ist hoch
Bereits in der Grundausstattung sind viele Nice-to-have-Features bereits beinhaltet, so etwa veganes Leder und die meisten modernen Assistenz-Systeme inklusive einem „Abstandsregel-Tempomaten“. Die „400 Pro+“ Ausstattung (wie im Testwagen verbaut) ist von außen am Panoramadach gut zu erkennen. Sie bringt quasi alles mit, was man sich wünschen kann, inklusive Massage- und Lüftungsfunktion der Sitze. In der Basis kostet die Ora Funky Cat ab 38.990 Euro. Die 400 Pro+ Variante gibt es ab 47.490 Euro. In den nächsten Wochen soll es hierzulande dann auch die optisch besonders sportlich gehaltene GT-Version zu Preisen ab 49.490 Euro geben.
Die einzige aufpreisfreie Farbe ist die unseres Testwagens (plus 300 Euro für die 2-Farb-Lackierung), die Galaxy Beige genannt wird. Metallic Farben gibt es für 690 Euro. Eine Wärmepumpe kostet 900 Euro. Damit sind aber auch schon alle möglichen Optionen genannt. Wir halten den Preise für dieses gelungene Auto für mutig positioniert. Schade, denn die tolle Optik und der solide Qualitätseindruck der Funky Cat könnte sonst bald dafür sorgen, dass sie ein Favoriten der Deutschen wird. In meine Augen hat das eigenständige Design der Ora Funky Cat mit seinen Kulleraugen und dem wohl proportionierten „Po“ nicht zuletzt das Zeug zum Liebling der Damenwelt werden, wie Mini oder Opel Adam.
Technische Daten:
ORA Funky Cat 400 Pro+
Beschleunigung 0-100 km/h 8.2 sec
Höchstgeschwindigkeit 160 km/h
Leistung 126 kW (171 PS)
Max. Drehmoment 250 Nm
Frontantrieb
Batteriekapazität, brutto, (Option) 63.1 kWh
Batterietyp Lithium-Ionen
Architektur 400 V
Zu Hause Ladeanschluss Type 2
Ladeleistung AC, 11kW, 3-phasig
Ladedauer,AC: 6h30m
Ladegeschwindigkeit 52 km pro Stunde
Schnell-Ladeleistung (max.) 67 kW DC
Schnell-Ladedauer (33->264 km) 58 min
Schnell-Ladegeschwindigkeit 230 km pro Stunde
CO2 Emissionen 0 g/km
WLTP-Reichweite 400 km
Testverbrauch, ca. 17 kWh/km
WLTP-Verbrauch 14,8 kWh/km
CO2 Emissionen 0 g/km
Länge 4,25 m/Breite 1,84 m/Höhe 1,60 m
Radstand 2,65 m
Leergewicht 1.615 kg
Zulässige Gesamtmasse 1.970 kg
Nutzlast 430 kg
Kofferraumvolumen 228 L bis 858 L (bei umgeklappten Rückbanklehnen)
Preis, 400 Pro+: ab 47.490 Euro