Londons Black Cab kehrt zurück: In der alten Form steckt viel Hoffnung
Very british und sehr deutsch war das Umfeld, in dem eine britische Ikone mit einer Auftakt-Pressekonferenz den deutschen Markt betrat: Man traf sich in der Britischen Botschaft in Berlin an der Wilhelmstraße, Ecke Unter den Linden. Das weltweit berühmte London Taxi will als Black Cab 2.0 seinen Weg in die Welt des 21. Jahrhundert auf dem deutschen Markt beginnen, mit neuen Machern und neuer Technik als Model TX vom Unternehmen London Electric Vehicle Company (LEVC).
Die Form des Taxis kennt die Welt seit 1948: kurze Schnauze und hohe Kabine, so hoch, dass der Bowler auf dem Kopf des Fahrgastes nicht anstößt. Das London Taxi wurde zum urtypischen Taxi, rund 70 Jahre bekannt durch Film und Fernsehen. Doch 2013 kam das Ende. Das Unternehmen London Taxi ging in Konkurs und andere versuchen seitdem, an seine Stelle zu treten. Gerade meldete Toyota, sein RAV4 mit Hybridantrieb sei nun die Nummer 1 bei den Londoner Taxis. Doch die Macher von LEVC meinen, sie könnten wieder in der Vorhand kommen. Seit März 2018 verkauften sie bisher rund 300 ihrer Fahrzeuge an Londoner Taxiunternehmer.
Das sind die Männer hinter der neuen London Taxi-Firma: An erster Stelle steht Li Shufu, von seinen Mitarbeitern gern und respektvoll „Chairman Li“ genannt. Er ist Gründer und Besitzer des chinesischen Automobilherstellers Geely, der sich kürzlich bei der Daimler AG als größter Aktionär eingekauft und auch schon vorher Volvo übernommen hat. Bei der alten London Taxi Company hielt er bereits 20 Prozent. Vermutlich ließ er sich deswegen leichter von der Idee überzeugen, eine Ikone mit neuem Inhalt und neuem Leben zu erfüllen.
Carl-Peter Forster als sein Geely-Verantwortlicher für Europa sowie der jetzige CEO und ehemalige Chef der LTC, Chris Gubbey, berichten, Chairman Li habe sich schnell überzeugen lassen und inzwischen rund 350 Millionen britische Pfund (knapp 400 Millionen Euro) in die Entwicklung und in das nagelneue Werk Ansty in der Nähe von Coventry investiert. Dessen Kopie entsteht übrigens zur Zeit gerade im chinesischen Yiwu, wo die Produktion der chinesischen Version im kommenden Jahr anlaufen soll.
Vermutlich kann das Gelände in China nicht auf eine vergleichbar schlüpfrige Geschichte verweisen als das in Ansty. Die Fabrik dort wurde auf dem Gelände errichtet, dass vor rund 1000 Jahren der berühmt-berüchtigten Lady Goodiva gehörte, die dort nackt auf ihrem Pferd ertappt worden sein soll. Aber es geht nicht um Geschichte und um mehr als eine einzige Pferdestärke, sondern um die Zukunft der innerstädtischen Mobilität. Und die will sich heute niemand ohne Elektrifizierung vorstellen. Die Lösung von LEVC ist in diesem Umfeld nicht so ungewöhnlich: elektrischer Antrieb, aber eben nach dem Rezept: brandaktuelle Technik in einem alten Kleid.
Für die Zukunft des neuen Black Cab muss niemand Schwarz sehen, denn das TX-Taxi wird in 14 Farben angeboten werden. Sonst hält es sich aber im Design ans Vorbild – ein bisschen geglättet und runder, aber unverkennbar. Die Karosserie besteht komplett aus Aluminium. Alle Teile werden verklebt, was die Steifigkeit erhöht und das Leergewicht auf 2230 Kilogramm herunterbringt.
Die neue Zeit zeigt sich im Inneren mehr als außen, auch bei Details wie den großen Griffen, die mit grellem Orange dem Benutzer sozusagen unterschwellig die Hand an die richtige Stelle für die Hilfe beim Ein- und Aussteigen führen. Es gibt sogar eine ausklappbare Stufe für die ganz kleinen Schritthöhe zum Fußweg und eine Rampe für Passagiere im Rollstuhl. Zwei von denen kann das Taxi transportieren, ohne Umbauten. Damit empfiehlt es sich als „Inklusions-Taxi“. Das Hineinschieben wird genauso erleichtert wie das Einsteigen, denn die drei Klappsitze, die gegen die Fahrtrichtung untergebracht sind, lassen sich wegschwenken, so dass viel Bewegungsfläche entsteht.
Insgesamt sechs Sitze bietet der TX. Der Fahrer sitzt in einer abgeschotteten Kabine hinter einer überfallsicheren, voll transparenten Wand aus Kunstglas. Mit den Passagieren kommuniziert er über eine Gegensprechanlage. Die Fahrgäste können die Fahrt auch zeitgemäß verkürzen. Denn im Innenraum gibt es WiFi, USB-Anschlüssen und auch 240-Volt-Steckdosen.
Aufladen – das ist naturgemäß ein wichtiges Stichwort für ein Elektroauto. Denn auch beim TX ist die rein batterielektrische Reichweite beschränkt auf rund 130 Kilometer – zu wenig für einen Taxifahrer-Alltag zum Beispiel in London, wo der Schnitt bei 190 Kilometer pro Tag liegen soll. Die Lücke füllt ein Dreizylinder-Benziner mit 1,5 Litern Hubraum, der bei ständig 2500 Umdrehungen pro Minute die Batterie auflädt, aber keine Verbindung zum Fahrwerk hat. Das System ähnelt dem des ersten Chevrolet Volt, bei dem man diesem Motor dem Namen Rangeextender mitgab. So etwas kommt der Liebe der Taxifahrer für Langstrecken entgegen.
Zusammen mit den drei Betriebs Modi hat der Fahrer die Möglichkeit, dort rein batterieelektrisch zu fahren, wo er das will oder es von ihm per Vorschrift verlangt wird. Im Modus „Smart“ entscheidet das System, wie es frisch bleibt, im Modus „Pure“ fährt der TX rein elektrisch, im Modus Safe kann der Fahrer den Batteriestrom zurückhalten, bis er ihn zum Beispiel für eine Umweltzone einsetzen muss. In dieser Kombination mit den Rangeextender verschafft sich der TX einen kombinierten Kraftstoffverbrauch von 1,08 Litern auf 100 km, entsprechend 29 Gramm Kohlendioxid und 1 Milligram Stickoxid pro Kilometer. Läuft der Benziner die ganze Zeit allein, braucht er 6,41 Liter auf 100 km. In gemischtem Einsatz schafft der TX nach Herstellerangaben mehr als 600 Kilometer.
Der Fahrer wird seinen Spaß an diesem Taxi haben. Denn mit den 255 Newtonmeter Drehmoment kann der TX so manchen Ampelstart gewinnen. Er lässt sich auch oberhalb der 50km/h flott bewegen und erreicht eine maximale Geschwindigkeit von 130 km/h. Für eine Höhe von fast 1,90 Metern neigt er sich überraschend wenig gegen die Kurve. Dafür federt er knochentrocken. Nun fuhren wir den TX nur mit seinem Taxifahrer auf der Rücksitzbank, also quasi ohne Zuladung. Die Federung wird sich bei voller Beladung sicher generöser verhalten. Aber wir hatten dennoch unseren Spaß – auch an den Blicken, die so ein TX auf sich zieht.
Dies wird zumindest in den ersten Jahren für so manchen Taxiunternehmer oder Betreiber von Shuttleservices ein zusätzliches Kaufargument sein. CEO Chris Gubbey rechnete uns noch ein weiteres Argument vor: Die Londoner Taxifahrer sollen im Monat umgerechnet knapp 500 Euro an Kraftstoffkosten sparen. Und dann ist da noch der Umweltschutz und im Zweifelsfall der Wegfall der Gebühren für das Befahren einer Umweltzone.
Dennoch steht in Deutschland am Anfang ein Kaufpreis von 59.600 Euro. Zieht man die maximal möglichen 8000 Euro Zuschuss für ein gewerbliches Elektrofahrzeug ab, bleiben immer noch 51 600 Euro, die im Taxieinsatz amortisiert werden wollen. Das ist etwa doppelt so viel, wie der deutsche Taxiunternehmer heute für sein Mittelklasse-Fahrzeug hinlegt. Da muss ein TX viele Drei-Schichten-Tage hinter sich bringen, um die ökonomischen Daten eines herkömmlichen Diesel-Taxis zu erreichen.
300 Taxis bisher in Großbritannien, 200 in Amsterdam, eine Großbestellung in Deutschland kurz vor dem Abschluss und der Plan, später die Märkte in Norwegen, den Niederlanden, Frankreich und Spanien anzugehen, im kommenden Jahr den Schritt in die große weite Welt zu tun und auf derselben technischen Basis einen kleinen Transporter hinzustellen – Carl-Peter Forster ist sicher, mit dem TX genau zur richtigen Zeit und mit dem richtigen Produkt einzusteigen. Den deutschen Markt sieht er als den Prüfstein für das Konzept, sagte er jetzt in Berlin. Das Unternehmen brauche keine großen Stückzahlen, um Break even zu erreichen, also Geld zu verdienen.
Auf dem Weg nach Deutschland und in die Welt hilf ihm wieder einmal das Dach des Geely-Konzerns. Denn die Plattform des TX entspricht der des Volvo XC90 mit Hybridantrieb. Die Batterie ist zwar mit 31 kWh im TX drei Mal so groß wie die des XC90. Doch ihr Aufbau ist gleich. Außerdem verfügt Volvo Deutschland in den Werkstätten über entsprechend geschultes Personal. Thomas Bauch, der Geschäftsführer von Volvo Deutschland bestätigte, ein TX könne bei allen Volvo-Händlern gekauft werden. Für die Wartung ermittle man gerade eine Auswahl an Partnerbetrieben in Metropolregionen, eben dort, wo das Unternehmen die größte Dichte an TX erwarten kann.
Um im deutschen Markt sichtbar zu sein und von den Menschen als Teilnehmer am Markt wahrgenommen zu werden, gehen Marketingexperten von einem Bestand von mehr als 20 000 Fahrzeugen aus. So vieler Exemplare wird es beim TX nicht bedürfen, denn jeder einzelne ragt nicht nur mit seinen knapp 1,90 Metern Höhe über die Masse der heutigen Taxis hinaus. ampnet
Fotos: ampnet/Hersteller
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