Arglos mit dem Argos auf Reisen
„Da fehlt ja ein Buchstabe“, scherzt unser Nachbar und zeigt auf den Schriftzug des Alkoven-Reisemobils: Argos 747. Oh nein wirklich, beim Packen für einige Tage an der Atlantikküste habe ich alles andere im Kopf, als Rätsel zu lösen. „Das l fehlt“, will er mir auf die Sprünge helfen. Auf meinen wenig amüsierten Blick, gibt er selbst die Antwort: „Arglos“. Stimmt.Arglos wäre ein schöner Name für ein Reisemobil. Doch Bürstner nennt seine Reisemobile nun mal Ixeo, Elegance oder eben Argos. Da würde Arglos aus der Reihe fallen. Mit 747 assoziiert man die Boeing. In die Luft hebt „Arglos“, wie wir das Alkoven-Wohnmobil auf unserer mehrtägigen Testfahrt fortan nennen, jedoch zum Glück nicht ab.
Der altbekannte Fernfahrerspruch Länge läuft, trifft auch auf den Argos 747 zu. Mit seinen rund 9 Metern Außenlänge und der Doppelachse ist das Fahren auf Autobahnen und ausgebauten Landstraßen ein Vergnügen. Selbstredend ist das Manövrieren mit einem so großen Reisemobil in Städten schwierig. Derart große Parkplätze sind zudem Mangelware. Da bleiben oft nur LKW Parkplätze. Auch die durch den Alkoven bedingte Durchfahrtshöhe von 3,20 Meter sollte stets im Auge bleiben. Selbst Autobahnmautstellen könne damit zu Gefahrenstellen werden. Also besser gleich die LKW-Spur verwenden.Beim Navigieren dieses großen Fahrzeugs sollte der LKW-Modus eingestellt werden, sonst können in engen Winkeln abbiegende Straßen oder Durchfahrtsbeschränkungen zum unüberwindlichen Hindernis werden. Überhaupt gilt es zu berücksichtigen, dass dieser Doppel-Achser nicht in Bereichen für Fahrzeuge unter 3,5 Tonnen bewegt werden darf. Für Führerscheininhaber, die ihre Fahrerlaubnis nach 1998 erworben haben, bleibt unser „Arglos“ leider tabu. Es sei denn, es wird eine Zusatzqualifikation in Form der Fahrererlaubnis Klasse C1 erworben.Aufpreise
Unser argloses Reisemobil ist optional mit dem „robotisierten“ Automatikgetriebe (Aufpreis 2023 Euro) ausgestattet. Diese Mehrausgabe ist sinnvoll, denn das Kuppeln und Schalten kann auf langen Fahrten zur mühseligen Arbeit werden. Die automatische Klimaanlage (manuelle Klima ist Serie) für das Fahrerhaus kostet 428 Euro Aufpreis. Sogar. Eine Sonnenmarkise kostet weitere 1718 Euro. Auch der dagegen serienmäßige Tempomat ist ein empfehlenswerter Helfer. So muss der rechte Fuß auf langen Reisen nicht ständig auf das Gaspedal drücken.Vergleichsweise enges Fahrerhaus
Das Fahrerhaus des Argos 747 fällt durch seine Bauart bedingt vergleichsweise eng aus. So sind die Einstellmöglichkeiten der Sitze insbesondere bei der Neigung der Rückenlehne bald erschöpft, weil eine Falt-Schiebetür den Raum nach hinten begrenzt. Vollintegrierte Modelle, wie etwa der Bürstner Elegance, offerieren Fahrer und Beifahrer deutlich mehr Raum und damit Fahrkomfort. Die abgegrenzte Fahrerzelle bringt einen weiteren Nachteil mit sich. Der Durchgang zum Wohnbereich ist schmal und niedrig, so kann die Fahrerkabine kaum für Wohnzwecke verwendet werden, auch wenn die Sitze drehbar sind. Einen Vorteil hat diese Lösung aber. Durch die Holzschiebe-Faltwand zwischen Fahrerhaus und Wohnbereich kann das oft fummelige Anbringen und Entfernen der Abdunklungs-Plissees entfallen.
Wohnen
Auf 9 Metern Länge und einer Breite von 2,30 Meter lässt es sich komfortabel wohnen. Der Argos 747 ist ein kleine Wohnung auf Rädern. Nur der Balkon fehlt. Selbst auf einen Backofen mit integrierter Grillfunktion (Option) muss man nicht verzichten, auch wenn der Umgang mit der Gasbeheizung gewöhnungsbedürftig ist. Ausreichend Stauraum, Kühlschrank mit separatem Gefrierfach, Dusche und Toilette sind mit an Bord.
Unser Tipp: Nicht warten bis die Toilettenbox komplett gefüllt ist. Denn diese Box ist dann schwer. Und im Unterschied zum Bürstner Elegance kann diese Box nicht wie ein Trolley gezogen werden. Als praktisch empfinde ich die Tür zwischen Toilette/Dusche und Küche/Wohnen, weil sie auf Wunsch für Privatsphäre sorgen kann.
Wir haben den 747 zu zweit mehrere Tage getestet. Bis zu sechs Personen können hier unterkommen. Die Sitzbank muss dann allerdings zum Bett umgebaut werden. Das Erklimmen des Alkovenbetts wird dann aber zur artistischen Einlage. Vier Personen können die zwei quereingebauten Doppelbetten im Alkoven und im Heck ohne Umbauaufwand nutzen.
Dabei dürfte die Heckvariante beliebter sein, als der Alkoven, denn das Herabsteigen aus rund 1,60 Meter Höhe in schlaftrunkenen Zustand über die schmale Hühnerleiter ist kein gefahrloses Unterfangen. Da bleibt die Blase nächtens im Zweifel ungeleert.
Garage
Fahrräder oder selbst ein Motorrad finden in der Garage im Heck ausreichend Unterstand. Das über zwei Türen (Fahrer- und Beifahrerseite) gut erreichbare große Abteil lässt sich darüber hinaus für alles was man zum Camping braucht nutzen. Aber auch im Fach unter dem Ladeboden können flache und lange Gegenstände bis zu rund 40 cm Höhe verstaut werden. Dieser praktische Zwischenboden ist auch durch zwei Luken vom Innenraumboden aus nutzbar.
Motor und Verbrauch
Der 177 PS (130 kW) leistende Fiat Turbodiesel (es wird auch eine 148 PS Variante angeboten) verbrauchte auf unseren Testfahrten im Schnitt 12,7 Liter. Damit runde 2 Liter auf 100 Kilometer mehr, als vergleichbare Nicht-Alkoven-Modelle mit ähnlichen Außenmaßen aber niedriger, weil ohne Alkoven. Auf langen Strecken durchaus ein beachtlicher Kostenfaktor.
Fazit
Reisen und Wohnen im Bürstner Argos 747 ist Luxus. Immer wieder fliegen ihm bewundernde, manchmal auch neidische Blicke zu. Im Luxus-Segment bewegt sich aber auch sein Preis. Wer mindestens 91.000 Euro übrig hat, ist dabei. Mit den sinnvollen Optionen wird der Preis am Ende aber die 100.000 Euro Grenze erreichen. Wer mangels akzeptabler Guthabenzinsen seine Kohle nicht nutzlos auf der Bank liegen lassen möchte, der kann sich dieses Reisemobil gönnen. Denn seine Rendite wird gemessen in Genuss und Lebensqualität. Nicht die schlechteste Rendite, auch wenn sie schwer in Zahlen zu fassen ist. Wer aber schon einmal mit einem Reisemobil direkt auf den Klippen der Atlantikküste übernachtet hat, der weiß, was wir meinen. Ob das erlaubt ist? Keine Ahnung. Da sind wir komplett arg(l)os.
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Dr. Friedbert Weizenecker
Dr. Friedbert Weizenecker - Seit mehr als 15 Jahren schreibe ich Auto-Themen für mehrere Zeitungen. Vor meiner Zeit als Auto-Journalist habe ich wirtschaftswissenschaftliche Features für ein Wirtschaftsmagazin und für Zeitungen verfasst. Als Volkswirt, Betriebswirt und Soziologe versuche ich auch ökonomische und gesellschaftliche Aspekte einfließen zu lassen. Autos sind meine Leidenschaft.
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Hallo Hr. Weizenecker,
da ich das von ihnen Beschriebene Wohnmobil selbst besitze, möchte ich ihnen mit teilen das es zum einen kein teilintegriertes Womo ist, sondern ein Alkofenmobil, des weiteren dürfen alle Besitzer der altenklasse 3, die bis zum jahr 1999 bzw. ende 1999 erteilt wurden noch bis 7,5 Tonnen Fahrzeuge fahren. Auch der verbrauch von 12,7 Liter/100KM ist sehr unrealistisch! Da ich nicht weiß wie sie auf die 12,7 Liter kommen vermute ich das sie diesen Verbrauchs wert vom Bordcomputer übernommen haben, wozu ich sagen muss das sie die werte des Bordcomputer getrost vergessen können da sie immer mindestens 1,5 bis 2,5 Liter verbrauch zu wenig anzeigt (eigene Erfahrungen die ich in mittlerweile 60TKM gesammelt habe), reelle werte bekommen sie nur durch absolutes Volltanken und nach z.B. 100 KM erneutem absolutem Volltanken! Bei mir bewegen sich die Verbrauchswerte je nach strecke, z.B. absolute ebene, Ebene und Berge, nur Berge, zwischen Minimum 14 Liter und 17 Liter, bei Geschwindigkeiten von 0 bis max. 100 KMH! Ich möchte, wirklich besserwisserisch auf ihren Bericht reagieren, aber dennoch wollte und musste ich ihnen die von mir angegebenen Punkte Klarstellen! Was ich allerdings absolut bestätigen kann, ist ihre aussage zur Atlantikküste mit einem Womo!!!
M.f.g proudbadener
Lieber stolzer Badener 🙂
Selbstredend ist richtig, was Sie zur Einordnung in die Klassifizierung der Reisemobile schreiben. Auch Ihre Einlassungen zum Führerschein sind richtig. Den Verbrauch habe ich tatsächlich nach der von Ihnen beschriebenen Voll/Voll-Methode ermittelt. Mag sein, dass Ihr Argos schon einige Jahre alt ist und die aktuellen Maschinen etwas verbrauchsgünstiger sind. Selbstredend ist, wie Sie es auch schreiben, der Verbrauch von der Fahrweise und dem befahrenen Gelände abhängig.
Inzwischen habe ich unseren Text an den entsprechenden Punkten überarbeitet und danke recht herzlich für das konstruktive-kritische Lesen. Wir werden demnächst an dieser Stelle weitere Reisemobile besprechen …
Beste Grüße
Friedbert Weizenecker