Puristischer Geländewagen oder cooler SUV – welcher ist die richtige Wahl?

Welche Gelegenheit würde sich besser für die Fahrvorstellung des neuen Jeep Wrangler JL eignen, als das jährliche Treffen der „Jeep Owners Group“ (JOG). Dieses Jahr fand es in Österreich statt, auf dem Spielberg Ring, der Rennstrecke im Eigentum eines bekannten Brause-Getränke-Produzenten. Hier im Herzen der Steiermark sind zudem genügend kernige Offroad-Strecken zu finden, um den neuen Jeep Wrangler JL, der nach wie vor auf einem Leiterrahmen baut, zu testen. Mit ihm kommt im Herbst 2018 – endlich auch in Deutschland – eines der letzten wirklich geländegängigen Einhörner auf den Markt.

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Um den Wrangler zu verstehen, sollte man die Jeep Geschichte kennen. Denn Jeep machte aus dem Willy’s Jeep (1942), der für militärische Zwecke entwickelt worden war, nach dem zweiten Weltkrieg den „Jeep“ für den Privatmann. Gleichsam ist der Marke etwas gelungen, was viele Unternehmen mit ihren Markennamen anstreben. Aus dem Markennamen wurde ein Gattungsname. Geländetaugliche Kraxler wurden fortan von vielen einfach „Jeep“ genannt. Der Jeep Wrangler kam dann 1987 mit der Produktbeschreibung YJ auf den Markt. Er ist inzwischen in der vierten Generation angekommen, welche nun auf den internen Namen „JL“ hört und in den Varianten „Sport“, „Sahara“ und „Rubicon“ angeboten wird.

Der „Sport“ bekommt die Basis-Ausstattung mit auf den Weg. Der Sahara ist die alltagstauglichste Variante. Und der Rubicon wird als der weltweit geländegängigste Jeep – mit mechanischem Sperrdifferential an beiden Achsen – gesehen. Hier bieten die Achsen auch dann Vortrieb, wenn ein Rad in der Luft hängt oder keine Traktion hat. Alle drei Versionen sind auch als „Unlimited“ Modell mit langem (4.90 Meter als 4-Türer) oder kurzem Radstand (3,4 Meter als 2-Türer) erhältlich. Zusätzlich sind drei Dach-Varianten kombinierbar. Basis bildet ein Hardtop, aus dem man im vorderen Bereich zwei Elemente heraus nehmen  und im Kofferraum verstaut werden können. Alternativ kann ein Stoffdach zum händischen Knöpfen und Zusammenfalten bestellt werden. Die luxuriöseste Dachvariante ist das elektrische Faltdach, das sich auch während der Fahrt bequem per Knopfdruck öffnen lässt. Sein Preis soll etwas über 1.000 Euro liegen.

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Aber wie schafft die etablierte Optik des Wrangler den Sprung in eine kantige Moderne? Klar, mit zeitlosen Elementen. So bekommt die Front jetzt zwar einen wuchtigeren Stoßfänger, der dem europäischen Fußgänger-Schutz geschuldet ist, dafür bleibt die charakteristische Optik um den Kühlergrill mit sieben Streben und den Kuller-Augen bestehen. Letztere strahlen in der 18er Generation in LED-Glanz, genau wie die Tagfahrlichter darunter. Außerdem steht die um 4 Zentimeter längere Frontscheibe nun etwas flacher und damit aerodynamischer im Wind. Die Übersicht über die Straße profitiert zudem davon. Eine flacheren Schulterlinie lässt den Wrangler von der Seite betrachtet, dynamischer erscheinen. Das Heck erhält ebenfalls einen moderneren Stoßfänger und dreidimensionale Jeep Konzern-Leuchten. Alles in allem bleibt der Wrangler ein Wrangler. Warum zu viel ändern? Schließlich ist die optische Kontinuität ein Erfolgsrezept von Jeep. Jedes Kind erkennt ihn, egal aus welchem Modelljahr.

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Auch dem neuen Innenraum gelingt der Spagat zwischen Tradition und Moderne. Er bleibt kernig, robust und gut zu reinigen. Man findet nun aber auch ein kleines digitales Instrument zwischen den klassisch, analogen Rund-Instrumenten. Und in der Mitte des auffallend aufrecht stehenden Armaturenbrettes hält nun die aktuelle Infotainment-Palette des Konzerns Einzug. Das 8,4-Zoll große Touchscreen-System überzeugt mit intuitiver Bedienung, Übersichtlichkeit, wenig Schnick-Schnack und moderner Konnektivität via Apple CarPlay und Android Auto. Die Rückfahrkamera oder der Startknopf (statt des klassischen Zündschlosses) sind zwar nice to have, aber für pure Jeep Fans kein Muss. Praktische Ablageflächen? Sind genauso vorhanden wie ein USB-Anschluss. Einen geeigneten Platz fürs Handy haben wir allerdings vergeblich gesucht. Beifahrer klammern sich übrigens gern an den „Oh-Shit-Handle“ über dem Handschuhfach.

Spannend sind die zwei Hebel in der Mittelkonsole vor den Cupholdern. Während der eine für die Bedienung der 8-Gang (statt bisher 5-Gang) Automatik von ZF zuständig ist, lässt sich über den anderen die Kraftverteilung des Antriebs steuern. Das in den Staaten „Selec-Trac“ genannte System kostet in den USA einen Mehrpreis, während es bei uns serienmäßig verbaut wird. Eine Handschaltung gibt es für den Wrangler nicht mehr. Der Alltagsmodus wird neuerdings von einem variablen Allradantrieb abgebildet. Das bedeutet, bei normalem Betrieb treiben die hinteren beiden Räder den Wrangler an, während sich die Vorderen nur bei fehlender Traktion zuschalten. Das spendet jeweils die richtige Portion Grip, ist zum anderen Sprit sparend und sorgt für ein solideres – aber noch immer etwas eiriges Fahrverhalten – auf Asphalt. Zusätzlich gibt es eine starre 50:50 Option, sowie eine kurze Geländeuntersetzung von 2,72:1. Die Kombination aus starren Achsen, steifer Karosserie, hoher Bodenfreiheit und Böschungswinkel macht aus dem Wrangler eine der letzten echten Bergziegen.

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Doch zur guten Traktion im Gelände braucht der Förster auch Power. Der Wrangler generiert diese aus einem 2.2-Liter-Diesel-Vierzylinder-Aggregat, das satte 450 Newtonmetern maximales Drehmoment und bis zu 200 PS Leistung zu Tage fördert. Auch wenn manche den 2.8 Liter Diesel im Wrangler missen werden, ist das neue Turbo-Aggregat ein mehr als würdiger Ersatz. Denn er klingt gut, beschleunigt uns im 2,2 Tonnen Koloss in 10,3 Sekunden (8,6 Sekunden beim Drei-Türer) aus dem Stand auf Tempo 100 und verbraucht dabei nur 7,9 Liter Benzin (Norm-Verbrauch). Letzteren haben wir auf unserer zügigen Testfahrt (8,4 Liter) übrigens nur wenig übertroffen. Das ist erfreulich. Ob der Wrangler auch für die Autobahn geeignet ist? Betrachtet man seine mächtige Karosserie, dem hohen Luftwiderstand und seine maximale Geschwindigkeit von 180 km/h, kann man zufrieden sein.Aber so richtig zuhause fühlt sich der Wrangler nun Mal im Gelände. Wie bereits erwähnt, er ist einer der letzten seiner Art. Selbst der Wrangler in der „Sahara“ Edition muss abseits der Straße erst dann aufgeben, wenn beide Achsen so verschränkt sind, dass je ein Rad in der Luft hängt. Offroad ist und bleibt er einer der wenigen echten Spezialisten. Zudem kann er 2,5 Tonnen Anhängelast ziehen. Wer kann dem Wrangler im Gelände noch das Wasser reichen? Vielleicht das Mercedes G-Modell oder der Mitsubishi Pajero. Denn Modelle wie der Land Rover Defender (soll 2019 neu aufgelegt werden) sind ja leider bereits im wohlverdienten Ruhestand. Ganz nebenbei könnte der Wrangler mit seinem Cabrio-Dach und den versteckten Willys-Eastereggs zum echten Kult- oder Lifestyle Auto für die Stadt mutieren. Da Unlogische hat bekanntlich auch einen Reiz. Auch wenn eingefleischte Jeep Fans ein solchen City-Einsatz wahrscheinlich so gerne mögen, wie ein vegetarisches Kochbuch.

Fazit

Ich will einen Jeep Wrangler. Der lange Radstand (Unlimited) mit den vier Türen wäre mein Favorit. Dazu das elektrisch faltbare Cabrio-Verdeck – ein Traum! Da ich weder Jäger noch Förster bin, könnte die – beinahe urbane – „Sahara“ Version meine erste Wahl sein. Und weil der Wrangler seine Asphalt Fahreigenschaften verbessert hat, macht das Cruisen mit ihm und seiner indirekten Lenkung sogar richtig Spaß. Der noch immer klassisch kantige Wagen hat also den Weg in die Moderne gefunden – voll vernetzt und mit digitalen Innenraum. Blöd nur, dass so viel Gloria einen Preis von mindestens 46.500 Euro für den Kurzen hat. 53.000 Euro werden für den vergleichbar ausgestatteten Langen fällig. Die Topausstattungen „Sahara“ und „Rubicon“ kosten jeweils 3.000 Euro mehr.

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