Rechtzeitig zum Beginn der Hauptreisesaison am 1. Juli will Frankreich eine neue Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h statt wie bisher 90 km/h auf bestimmten Landstraßen einführen. Die Bestimmung soll für zweispurige Strecken in Kraft treten, wo trennende Mittelstreifen oder Leitplanken fehlen. Insgesamt betrifft dies rund 400 000 Kilometer. Auf vierspurigen Straßen gilt nach wie vor die alte Regelung.

Hinter der Drosselpolitik steht Frankreichs Premierminister Edouard Philippe, der damit die Zahl der Verkehrstoten im westlichen Nachbarland der Bundesrepublik von 3469 im Jahr 2016 senken will. Seit einem Tiefstand von 3268 Verkehrsopfern in 2013 steigt die Zahl der tödlichen Unfälle Jahr für Jahr wieder an. Auch im internationalen Vergleich schneidet Frankreich schlecht ab: 2015 erfasste das EU-Statistikamt Eurostat dort 5,4 Verkehrstote pro 100 000 Einwohner; in Deutschland waren es 4,3. Nach Meinung des Premierministers könnte die neue Maßnahme „zwischen 350 und 400 Menschenleben pro Jahr“ retten, denn mehr als die Hälfte aller tödlich verlaufenden Verkehrsunfälle in Frankreich passieren auf Landstraßen. Als weiteren Beitrag zur Verbesserung der Verkehrssicherheit will Philippe künftig härtere Strafen gegen Autofahrer einführen, die beim Fahren das Handy benutzen oder den Zebrastreifen ignorieren. Hat zum Beispiel jemand am Steuer sein Handy in der Nähe einer Schule, eines Kindergartens oder Zebrastreifens am Ohr, droht ihm der Führerscheinverlust.

Obwohl laut Meinungsumfragen 59 Prozent aller Franzosen das neue Tempolimit ablehnen, bleibt Edouard Philippe hart: „Wenn ich unpopulär sein muss, um Leben zu retten, dann akzeptiere ich das.“ Dem Vorwurf, die Regierung wolle sich mit Bußgeldern eine neue Finanzquelle erschließen, begegnet er mit dem Hinweis, dass diese Gelder in einen Fonds fließen sollen, der für Einrichtungen bestimmt ist, die Verkehrsopfer versorgen.

Gegenwind bekommt er zusätzlich sowohl von Automobilverbänden als auch von der Opposition. So beklagte Daniel Quéro, Boss des Automobilverbands „40 millions d’automobilistes“ (40 Millionen Autofahrer), eine „eher politische als rationale Entscheidung“. Auch die gestiegene Zahl von Radarfallen seit 2014 habe wenig zu mehr Sicherheit beigetragen. Ebenso barsche Kritik äußert die rechtspopulistische Front National (FN) von Marine Le Pen. Sie kritisiert das Vorhaben, weil angeblich Experimente mit Tempo 80 auf Teilstrecken bisher nicht ausgewertet worden seien. Der frühere Innenminister Bernard Cazeneuve hatte 2015 drei Teststrecken ausgewählt, auf denen Tempo 80 galt. Als wissenschaftliche Studie taugte das Experiment jedoch nicht, da es mit zwei Jahren zu kurz gewesen war.

Währenddessen sammelte 40 millions d’automobilistes 600 000 Unterschriften gegen die Reform und führte einen Vergleich mit Deutschland ins Feld, wo bekanntermaßen Tempo 100 auf Landstraßen gilt. Zugleich aber gab der Verband zu: „Die meisten Deutschen respektieren die Geschwindigkeitsbeschränkung genau – im Gegensatz zu uns Franzosen.“ ampnet

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